Täglich 50 Seiten zu lesen, das ist bei einer Lesegeschwindigkeit von etwa 300 Wörtern pro Minute 92 Minuten oder umgerechnet etwa 1,5 Stunden. Für 100 Seiten also etwa 3 Stunden. Aber bei Büchern geht es doch viel schneller oder etwa nicht?
Vermutlich sagt der eine oder andere Leser nun: „Ich bin schneller!“ und ja vermutlich hast du damit sogar recht. Vielleicht liest du auf der Arbeit viel oder in deiner Freizeit. Dann bist du wahrscheinlich jemand, der gerne und viel liest und hast es gar nicht nötig diesen Artikel zu lesen. Doch vielleicht gibt es auch andere unter euch, die genau da hin möchten.
Die Beeinflussung der Lesegeschwindigkeit
Tatsächlich gibt es eine Menge Faktoren, die die Lesegeschwindigkeit beeinflussen. Ja, man kann sie mit bestimmten Techniken sogar deutlich steigern. Dazu lernt man womöglich die Technik des Schnelllesens. Doch um diese Technik, die in zahlreichen Büchern (Werbelink) vorgestellt wird, soll es hier gar nicht gehen. Worum es mir geht, ist etwas anderes.
Denn, wenn wir mal ehrlich sind, so wisst ihr vermutlich, dass man lesen nur durch lesen lernt, dass es besser ist mit der Lampe im Rücken zu lesen und, dass man eine Lesebrille nutzen sollte, wenn die eigenen Augen nicht mehr so gut sind. Nein, worum es mir geht, ist, die Vereinbarkeit mit dem Alltag.
In jeder Handtasche ein Buch?
Nein, auch darum geht es mir nicht, auch wenn die Pausen, die sich tagtäglich in unserem Alltag ergeben, sich eigentlich perfekt dazu anbieten. Also sollten wir tatsächlich immer ein Buch mitnehmen. Wer weiß, wann sich die nächste Pause und somit eine Gelegenheit zum Lesen ergibt. Möglicherweise bietet sich die tägliche Bus- und Bahnfahrt zum Lesen ebenso gut an, wie beispielsweise die Zeit, die dein Abendessen im Ofen verbringt.
Eine viel wesentlichere Frage ist jedoch, wie wir eigentlich das Wort „Seite“ definieren. Meinen wir die Seite eines Taschenbuchs, ein normales Din A4-Blattes oder etwas anderes.
Beim National Novel Writing Month (NaNoWriMo) schreiben die Teilnehmer im Verlauf eines Monats 50.000 Wörter. Das entspricht etwa 90 Din A4-Seiten, aber 230 Seiten in einem Taschenbuch. Geschrieben werden also 230 Seiten eines Taschenbuches oder die besagten 50.000 Wörter. Lesen wir nun also 50 Seiten des Taschenbuchs, dann dauern diese 50 Seiten ohne Unterbrechungen etwa 36 Minuten. Möchten wir aber 50 Din A4-Seiten schaffen, so benötigen wir etwa 2,5 mal so lange. Übertragen auf das Taschenbuch hätten wir jedoch nicht nur 50, sondern insgesamt 125 Seiten gelesen.
Diese müssen wir auch gar nicht am Stück lesen, sondern können sie getrost aufteilen. Fünf Minuten und weitere fünf Minuten sind schon 10. Wenn wir das also berücksichtigen, klingen die 50 Seiten täglich gar nicht mehr ganz so viel.
Haben wir uns also erst einmal an die 50 Din A4-Seiten gewöhnt, fällt es uns viel leichter, jeden Tag etwa ein halbes Buch zu lesen, wenn wir davon ausgehen, dass ein normales Taschenbuch rund 300 Seiten hat. Bewegen wir uns aber im Bereich der Schmöker, so umfassen die Bücher plötzlich 600 oder mehr Taschenbuchseiten.
Auch hier hilft uns wieder einmal die Gewohnheit, denn mit wachsender Erfahrung in diesem Bereich werden wir auch hier wieder schneller. Zurückkommend auf das Kind, das gerade Lesen oder Schreiben lernt, bedeutet dies, dass wir uns und unsere Ansprüche langsam aber stetig steigern können, indem wir täglich lesen. Gehen wir anstelle der Seitenzahl beispielsweise über die zeitliche Komponente, fällt uns erst einmal auf, dass es tatsächlich eine Steigerung gibt.
Wer täglich liest, wird schneller
Wie alles im Leben macht auch beim Lesen, die Wiederholung den Meister. Wer täglich seine 50 Seiten liest, wird schneller. Statt 36 Minuten braucht man dann womöglich nur noch 27 Minuten, ohne dass man tatsächlich irgendetwas anderes tut.
Der Grund ist dabei nicht etwa, dass man über die Worte hetzt, sondern, dass man pro Zeile mehr als ein Wort wahrnimmt. Behalten wir aber unsere 36 Minuten bei, lesen wir nicht länger „nur“ 50 Taschenbuchseiten, sondern etwas mehr als 66 Seiten.
Die Wirkung des täglichen Lesens
Schon häufig habe ich das Lesen eines Buches mit einer Art Auszeit im stressigen Alltag verglichen. Wer täglich liest, entspannt und trainiert gleichzeitig auch noch sein Gedächtnis, die eigene Empathie und geistige Leistungsfähigkeit.
Gleichzeitig ist der Zeitraum, in dem ein Buch gelesen wird, eine Art natürliche Auszeit, die es einem ermöglicht, zu jedem Zeitpunkt in fremde Welten einzutauchen. Natürlich muss man hierfür nicht unbedingt zu einem Fantasy-Buch greifen.
Häufig reicht es auch aus, in den fiktiven Alltag einer Figur einzutauchen. Man vergisst darüber möglicherweise die eigenen Sorgen, dass man eigentlich noch etwas ganz anderes tun wollte, und geht nur knapp 30 Minuten später mit neuer Energie ans Werk, sofern man sich von seinem Buch lösen kann.
Buch statt TV
Mittlerweile raten Experten dazu, abends eher zu einem Buch zu greifen, um potenziellen Einschlafproblemen zu entgehen. Schuld daran sei die Tatsache, dass Handy und TV ein blaues Licht aussondern, das unserem Körper vorgaukelt, es wäre noch helllichter Tag.
Mit dieser Extraportion Energie schläft es sich dann erwartungsgemäß schlechter ein. Wer also nicht von jetzt auf gleich einschlafen kann oder möchte, der sollte vor dem Zubettgehen den Fernseher lieber ausgeschaltet lassen oder im Anschluss an den letzten Film noch eine halbe bis dreiviertel Stunde lesen.
Hierbei neigen Experten zu dem Ratschlag, dass das Buch auf gar keinen Fall zu viel Spannung enthalten sollte. Aber wie sang schon Bill Ramsey in einem alten Schlager: „ohne Krimi geht die Mimi nicht ins Bett“.
Jeden Abend seine 50 Seiten zu lesen wirkt sich also in mehr als einer Hinsicht positiv auf den menschlichen Organismus aus. Gleichzeitig wächst der Spaß am Lesen, denn wer regelmäßig liest, der macht es sich leichter und wird dabei zunehmend schneller.
Übrigens kann es auch helfen, zwischen den Genres zu variieren, Bücher aus unterschiedlichen Zeiten zu lesen und einen Klassiker auf ein Belletristikbuch folgen zu lassen. Das darauffolgende Belletristikbuch dürfte dann sehr viel leichter werden.
Wer sich mit dem Schnelllesen beschäftigt, der dürfte schon einmal den Rat gehört haben, das klassische Kopfkino hinter sich zu lassen, da dieses den Lesefluss hemmt. Meiner Ansicht nach sollte hier variiert werden.
Zum einen macht es für mich einen Unterschied, ob man ein fiktives Buch liest, in das man eintauchen kann, oder ein Sachbuch, bei dem es um den reinen Wissenserwerb geht. Zur Aufnahme des Wissens benötige ich das Kopfkino nicht unbedingt, aber um den Entspannungseffekt zu vertiefen.
Infolgedessen kann ich mir überlegen, mit welcher Intention ich das vor mir liegende Buch lese und die Funktion des Kopfkinos gezielter nutze.
Von der Schriftgröße und der Blickweite beim Lesen
Wer ein Kind hat, welches gerade in der Schule lesen lernt, der weiß, dass viele Erstlesebücher mit einer klaren, schnörkellosen und vor allem großen Schriftart leicht zu lesen sind. Je weiter das Kind seine Lesefähigkeit etabliert hat, desto kleiner darf die Schriftgröße werden.
Zum schnellen Lesen bietet sich dennoch das Lesen von mittleren Schriftgrößen an. Im Durchschnitt nimmt ein Mensch vier bis fünf Wörter auf. Ein Vielleser erweitert die Blickweite auf bis zu sieben oder acht Wörter und kann somit seine eigene Geschwindigkeit verdoppeln, ohne die Lesetechnik tatsächlich zu verändern.
Auf einem ebook Reader braucht man länger
Studien haben übrigens gezeigt, dass man auf dem eBook Reader langsamer liest. Dies hängt mit bestimmten Faktoren wie dem Flimmern des Monitors zusammen. Aus diesem Grund kann es sich anbieten, auf einen eBook Reader mit eInk zurückzugreifen.
Nicht weiter verwunderlich ist auch, dass es sehr stark darauf ankommt, wo man sich gerade beim Lesen befindet. So greifen immer mehr Leser zu einem eBook Reader, die sich gerade auf einer Reise befinden. Grund hierfür ist vermutlich, dass sie im Koffer nicht so viel Platz haben.
Bei den verheirateten oder liierten Leserinnen und Lesern bietet so ein eBook Reader einen weiteren Vorteil. Durch den eBook Reader wird keine weitere Lichtquelle benötigt. Der Partner kann also bereits schlafen, während man selbst noch liest. Wenn ihr also noch einmal irgendwo lest: „Ich habe x Seiten gelesen!“, fragt euch in welchem Format und wie hoch die Geschwindigkeit tatsächlich war.
Leser oder Vielleser?
Ungewöhnlich ist, dass die GEO sich vor einiger Zeit selbst mit der Studienlage zum Thema Lesen und Gesundheit befasst hat. Ich selbst hätte dieses Thema gar nicht als derart relevant angesehen, und das obwohl ich der Definition zufolge selbst eine Vielleserin bin.
Nach Aussage der GEO wurde in der Studie die Annahme getroffen, dass ein Vielleser mehr als 3,5 Stunden in der Woche liest; ein normaler Leser bis zu 3,5 Stunden und ein Nichtleser kein Buch in die Hand nimmt. Betrachten wir also das Vorhaben, jeden Tag unsere 50 Seiten als ein Minimum zu betrachten, so haben wir mit der täglichen halben Stunde den Status des Viellesers erreicht.
Doch warum streben wir nun nach dem Viellesertum? Bereits weiter oben habe ich zahlreiche Argumente dafür geliefert, warum man überhaupt lesen sollte. Diese Argumente treffen sicherlich auch auf die Vielleser zu. Als Vielleser hat man aber auch eine weitere Motivation, man möchte stets der Beste sein.
Vom Streben nach „Höher, Schneller, Weiter“
Einer meiner Ausbilder fragte mal im Rahmen einer Weiterbildung, was wir mit mehr Menschen erreichen können, was wir nicht auch mit weniger Personen leisten können. Die Frage war eindeutig und doch wusste niemand so genau, was darauf die richtige Entgegnung wäre. Denn letztendlich ist es nicht die Menge, die das Wesentliche ausmacht, sondern eher die Qualität.
In Bezug auf gute Bücher, die wir alle lesen wollen, ist diese Frage jedoch anders zu beantworten, denn wenn man betrachtet, wie viele Bücher jedes Jahr auf den Buchmarkt kommen, so wollen wir doch möglichst viele gute Bücher lesen.
Dennoch ist die Menge, die wir lesen können, in unserem Alltag meist dadurch begrenzt, dass wir bei allem was wir tun, auch noch einen Alltag haben, den wir natürlich ebenso wertschätzen, wie unsere Bücher. Integrieren wir also jene Bücher die wir lesen geschickt in unsere Tagesplanung, erreichen wir mehr.
Unser Leben wird durch das tägliche Ritual des Lesens entspannter und bereichert. Aktuell gibt es sogar einige Experten, die eine lebensverlängernde Wirkung des Lesens erkannt haben wollen. Ob da etwas dran ist, wird sich zeigen. Aber allein die Vorstellung, dass es so sein könnte, ist doch bereits eine gute Perspektive.
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