“Hanse-Herzen bricht man nicht” von Jule Riesch war für mich eine echte Überraschung. Bereits der erste Blick auf den Klappentext machte mich neugierig und lud mich dazu ein, an der Seite von Madita Tönninger deren Papeterie im Herzen von Lübeck zu besuchen. Das versprach an sich gute Unterhaltung, da ich es als Leserin in der Papeterie mit ganz unterschiedlichen Kunden und ihren Wünschen zu tun bekäme.
Doch zunächst treffen wir Madita in ihrem heimischen Wohnzimmer an, wo sie mit ihren besten Freunden Fabian (manchmal auch Fabs genannt) und Freya einen Kaffee trinkt. Sie tauschen sich über den neusten Krimi von Fabs Lieblingsautor aus, dem Madita nur wenig abgewinnen kann. Die Wohnung wird als klein, aber gemütlich beschrieben und als Leserin fühle ich mich umgehend wohl. So wohl, dass ich gleich richtig tief in die Geschichte eintauche, was wohl auch mit der Gemütlichkeit zu tun hat, die diese Szene ausstrahlt.
Kurze Zeit später begleite ich als Leserin Madita in ihre Papeterie. Hier verkauft sie Träume aus Papier und erfüllt ihren Kunden mit ihrer Poesieschmiede jeglichen Wunsch, vom kurzen Gruß bis hin zur Hochzeitsrede, und genau damit beginnt für Madita die Katastrophe, denn der Bräutigam in Spe ist hier nur allzu gut bekannt.
Sommerliche Liebesgeschichte oder doch etwas anderes?
Hanse-Herzen bricht man nicht” entführt mich als Leserin in eine charmante und erfrischende Liebesgeschichte, die perfekt in den Sommer passt. Dabei ist es auf den ersten Blick alles andere als eine eine klassische Liebesgeschichte, die mit großer Romantik einhergeht. Vielmehr handelt es auf den ersten Blick um einen Roman um Freundschaft, Identität und die Liebe zur Sprache.
Ergänzend könnte ich euch sagen, dass es um eine Art Heimatliebe geht, denn Madita liebt ihre Heimatstadt Lübeck und das dortige Lebensgefühl. Sie mag den Kaffee der örtlichen Röstereien, die traditionelle Lübecker Kaffeetafel und Marzipan. Sie mag die Spaziergänge durch ihre Stadt und legt viele Wege zu Fuß zurück.
Auf diese Weise wird Lübeck zur lebendigen Kulisse von “Hanse-Herzen bricht man nicht”, die ich mir als Leserin sehr gut vorstellen kann. Vor der malerischen Kulisse Lübecks entfaltet sich die Handlung und fängt gleichzeitig diese besondere Atmosphäre ein. Lübeck wird in diesem heimatverbundenen Wohlfühlroman nicht nur als Ort beschrieben, sondern als lebendiger Teil der Geschichte, der das Geschehen maßgeblich prägt.
Aufgrund der starken räumlichen Verortung könnte dieser Roman nirgendwo anders spielen als in Lübeck. Die Autorin selbst muss eine tiefe Verbundenheit zu dieser Stadt haben, also möglicherweise eine Gemeinsamkeit mit ihrer Protagonistin Madita.
“Hanse-Herzen bricht man nicht” von Jule Riesch: Der Auftrag des Eyk Fuhrmann
Als Eyk in Maditas Papeterie auftaucht, ist er der letzte, dem Madita gerechnet hätte. Mittlerweile ist er ein angesehener und bekannter Unternehmer, doch Madita hat einige andere Erinnerungen an ihn, schließlich verbindet sie beide eine gemeinsame Schulzeit und die junge Frau hat diese nicht in der angenehmsten Erinnerung.
Eyk hingegen scheint diese Vergangenheit vergessen zu haben. Hat er wirklich nicht mehr auf dem Schirm, dass er ihre Schulzeit zum Spießrutenlauf machte?
Madita erinnert sich noch allzu gut und allzu genau daran und überlegt nun, den Auftrag abzulehnen und das, obwohl sie sich genau das eigentlich nicht erlauben kann. Die Papeterie steht noch nicht so allzu sicheren Beinen, einfach weil sie an Bekanntheit fehlt. Zwar wird sie regelmäßig besucht, doch echte Großaufträge bekommt Madita nur selten.
Eyk bietet ihr genau einen solchen Auftrag an, denn Madita soll seine Verlobungsrede vorbereiten. Letztlich hat sie keine andere Wahl, denn das Geld würde sie über Monate hinweg absichern, doch ihre Emotionen stehen ihr noch im Weg und so zögert sie einige Zeit, bevor sie zusagt, sich mit ihm zu treffen.
Schon das erste Treffen wird für Madita zur Belastungsprobe. Hält sie diesen Schnösel wirklich lange genug aus, um mit ihm die Rede vorzubereiten. Ohne Zeit miteinander zu verbringen ist es kaum möglich, genug über das Brautpaar zu erfahren, um die Rede mit der nötigen Emotion und Stimmung vorzubereiten. Eyk hat sie aus der gemeinsamen Schulzeit nur als echten Idioten in Erinnerung und seine Verlobte kennt sie nicht erreicht.
Da es sich ebenfalls aus diesem ersten Gespräch immer wieder an sein Handy flüchtet, macht Madita ihrem ehemaligen Mitschüler letztlich ein Angebot, dass er nicht ablehnen kann, wenn es ihm wirklich um die Rede geht.
Eine Kleinigkeit gibt jedoch zu denken, seine Ausflüchte sind offensichtlich. Ihre Fragen scheint er nicht richtig beantworten zu können oder zu wollen. Aus diesem Grund bittet sie ihn, in der Papeterie auszuhelfen. Zu ihrer Überraschung sagte tatsächlich zu.
Madita Tönninger: Eine Protagonistin mit Herz und Leidenschaft
Madita ist eine vielschichtige Figur, deren Träume und Leidenschaften den Roman tragen. Ihre Arbeit mit der Papeterie und ihre persönliche Entwicklung machen sie für Leserinnen und Leser besonders greifbar und sympathisch. Für Madita ist die Papeterie im Herzen Lübecks tatsächlich ein wahrgewordener Traum. Schon als Jugendliche träumte sie davon, sich mit einem solchen Laden selbstständig zu machen und Träume auf und aus Papier zu verkaufen.
Jetzt lebt sie ihren Traum, muss aber erkennen, dass das auch heißt, manchmal der einen oder anderen Herausforderung zu begegnen. Natürlich hilft ihr ihre Leidenschaft für Sprache und ihre Motivation für jeden Kunden das beste Ergebnis zu erzielen. Im Fall von Eyk Fuhrmann stellt sie aber nicht nur diese Motivation in Frage, sondern auch, ob sie überhaupt in der Lage ist, seinen Auftrag zu erfüllen.
Ich selbst mochte Madita mit all ihren Facetten und habe mich gut mit ihr identifizieren können. Madita erschien mir die ganze Zeit über als überaus feinsinnige Persönlichkeit, die mit großer Leidenschaft für das brennt, was sie tut. Jule Riesch ist es gelungen, mit Madita eine Herzensfigur zum Leben zu erwecken, die so glaubwürdig und authentisch ist, dass ich den Roman kaum aus der Hand legen wollte.
Eyk Fuhrmann bildet auf den ersten Blick ihren Gegenspieler, denn Eyk verkörpert alles, was Madita nicht ist. Wo sie emotional agiert, ist er eher rational. Außerdem verbindet auf den ersten Blick lediglich die gemeinsame Vergangenheit. Aus diesem Grund tat ich mich als Leserin schwer, in “Hanse-Herzen bricht man nicht” einen klassischen Liebesroman zu sehen.
Diese Facette entwickelt sich nämlich nur langsam. Ich will euch keinesfalls zu viel vorweg nehmen, deshalb sage ich nur, mit “Hanse-Herzen bricht man nicht” verbindet Jule Riesch die Tropes “Slow Burns” und “From Enemies to Lovers”. Vor meinen Augen entfaltete sich als eine ebenso berührende wie glaubwürdige Geschichte mit vielschichtigen und authentischen Figuren.
Leichtfüßiger Schreibstil und atmosphärische Sprache in “Hanse-Herzen bricht man nicht”
Der Stil der Autorin ist angenehm und flüssig zu lesen. Die Sprache fängt die sommerliche Stimmung ein und lässt die Umgebung lebendig werden – ideal für entspannte Lesestunden. Dabei erscheint es mir sinnvoll zu erwähnen, dass dieses angenehme Lesen keinesfalls mit einfach verwechselt werden sollte.
“Hanse-Herzen bricht man nicht” ist ein Roman, in dem es neben den genannten Themen auch und insbesondere um die Liebe zur Sprache geht. Dieser Roman ist also nicht nur angenehm und flüssig zu lesen, sondern auch zuerst ein niveauvolles Spiel mit Sprache. Das macht diesen Roman aber keinesfalls komplex, sondern trägt zumindest bei mir als Leserin zu meiner Unterhaltung bei.
An dieser Stelle könnte ich nun in epischer Breite ausführen, was mit dem Spielen mit Sprache gemeint ist, aber wenn ihr meine Rezension bis hier her gelesen habt, dann müsstet ihr schon ahnen, worum es geht. Für alle anderen, hier der Hinweis: Madita verkauft in ihrer Papeterie nicht nur leere Notizbücher und Kalender. Im Hinterzimmer fertigt sie auch noch etwas anderes.
Ist es mir gelungen, euch neugierig zu machen? Das würde mich natürlich freuen, denn “Hanse-Herzen bricht man nicht” von Jule Riesch bekommt definitiv meine Leseempfehlung. Ihr seid auf der Suche nach einem Buch, in dem es nicht nur um die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau geht? Hier ist es. Ihr sucht nach einer passenden Reisebegleitung für eine Reise nach Lübeck? Ich denke, ihr seid fündig geworden.
Über die Autorin Jule Riesch
“Jule Riesch wurde 1993 in Lübeck geboren und studierte Germanistik und Soziologie an der Universität Hamburg. Sie lebt mit Familie und Hund im Norden.” (Fischer Verlag) Hinter dem Pseudonym Jule Riesch verbirgt sich übrigens Jana Schikorra.
Fazit zu “Hanse-Herzen bricht man nicht”: Perfektes Buch für unbeschwerte Sommertage
“Hanse-Herzen bricht man nicht” von Jule Riesch ist eine ideale Lektüre für alle, die sich nach einer warmherzigen, authentischen Liebesgeschichte sehnen und dabei das Flair des Nordens genießen möchten. Gleichzeitig ist es eine starke Geschichte für all die Wortakrobaten, die es lieben mit Wörtern zu spielen.
Mir hat dieser Roman so gut gefallen, dass ich euch garantieren kann, dass dieses Buch mein erstes Buch der Autorin, aber gewiss nicht mein letztes. Ich würde mich freuen, wenn aus dem bisherigen Einzelroman “Hanse-Herzen bricht man nicht” eine kleine Reihe werden würde.
Vielleicht könnten Fabs und Freya ihre eigenen Geschichten bekommen. Ich würde mich freuen, wenn es eine Möglichkeit gäbe, die beiden besser kennen zu lernen. Die Geschichte um die Papeterie, Madita und Eyk dürfte zu Ende erzählt sein, die starke Kulisse und diese besondere Atmosphäre möchte ich als Leserin ungern zurück lassen.
Tatsächlich wäre es auch möglich, in Maditas Freundeskreis neue Geschichten zu entdecken oder unter ihren Stammkunden. Fakt ist, dieser Roman hat mir als Einzelroman ausgesprochen gut gefallen. So gut, dass ich es fast schade fand, als ich das Buch zum letzten Mal umblätterte und zuschlug. “Hanse-Herzen bricht man nicht” von Jule Riesch hat das Potential zum Lieblingsbuch. Vielleicht auch für euch…
Hanse-Herzen bricht man nicht

"Hanse-Herzen bricht man nicht" von Jule Riesch war für mich eine echte Überraschung. Bereits der erste Blick auf den Klappentext machte mich neugierig und lud mich dazu ein, an der Seite von Madita Tönninger deren Papeterie im Herzen von Lübeck zu besuchen. Das versprach an sich gute Unterhaltung, da ich es als Leserin in der Papeterie mit ganz unterschiedlichen Kunden und ihren Wünschen zu tun bekäme.
URL: https://www.fischerverlage.de/buch/jule-riesch-hanse-herzen-bricht-man-nicht-9783596720231
Autor: Marie Lanfermann
Autor: Julie Riesch
ISBN: 978-3-596-72023-1
Veröffentlichungsdatum: 2025-04-23
Format: https://schema.org/Paperback
4.7
Vorteile
- Authentische, vielschichtige Hauptfigur
- Lebendige, unverwechselbare Lübeck-Kulisse
- Niveauvolles, spielerisches Sprachgefühl
- Fließender, atmosphärischer, sommerlicher Stil
- Originelle Verbindung von Freundschaft, Heimat und Liebe
- Glaubwürdige „Slow Burn“-Liebesentwicklung
- Gute Balance aus Tiefgang und leichter Unterhaltung
- Potenzial für Spin-offs durch Nebenfiguren
Nachteile
- Langsamer Handlungsaufbau, geringe Spannung
- Fokus auf Alltagsszenen, wenig dramatische Höhepunkte
- Zielgruppe eingeschränkt auf Liebhaber subtiler Romane
- Fehlende klassische Romantik-Elemente
- Spezifisches Setting (Papeterie) nicht für alle ansprechend