Agneta ist Kunststudentin in Stockholm und damit eine moderne Frau. Denn obwohl es Frauen mittlerweile gestattet ist zu studieren, ist dies noch längst nicht so üblich. Agneta selbst rebelliert mit diesem Studium gegen ihre Familie, aber als Frau und außerdem jüngere Schwester eines Bruders, ist sie nicht verpflichtet, sich um den Gutshof der Löwensteins zu kümmern. Denn Agneta entstammt einer Grafenfamilie, so dass ihr Leben mit einigen Verpflichtungen einhergeht. Doch ihre Herkunft scheint in Stockholm in Vergessenheit zu geraten, denn dort ist sie einfach Agneta, Kunststudentin und moderne selbstbewusste Frau. Doch dann zwingt sie ein Telegramm ihrer Mutter zur Rückkehr auf das Gut, denn ihr Vater und ihr geliebter Bruder Hendrik hatten einen Unfall.
Von einem Leben ins Andere
Agneta macht sich alsbald auf den Weg, doch als sie das Gut erreicht ist ihr Vater bereits verstorben. Und auch der Zustand ihres Bruders Hendrik ist kritisch. Als Hendrik kurz darauf seinem Vater folgt, bricht für Agneta eine Welt zusammen, denn dieser Tod bedeutet das Ende ihres freien und selbstbestimmten Lebens als Malerin. Sie soll den Gutshof führen und sich schnellstens um einen Ehemann bemühen. Doch die Etikette der Trauer gewährt ihr ein Jahr, das Trauerjahr Aufschub. Doch alleine die Tatsache, dass sie nun die Gutsherrin ist, beginnt ihr Leben zu verändern, denn ihr Geliebter aus Stockholm hat eigene Pläne, Wünsche und Träume. Er trennt sich von der Gutsherrin, die ihm dann doch zu eigenständig erscheint. So löst sich Agneta von ihrem Stockholmer Leben und hält an nicht viel mehr fest als an einer Freundin, die ihr mit manch klugen Rat zur Seite steht und sie auch nach der Trennung von ihrem Geliebten wieder aufbaut. Eine selbstbewusste Frau, benötigt halt einen eben solchen Mann, einen der ihr ebenbürtig ist und nicht auf sie herabschaut.
Widerwillig lässt sie ihr bisheriges Leben und alles was sie daran erinnert zurück und beginnt sich mit dem Gutshof zu beschäftigen. Im Sekretär ihres Vaters entdeckt sie einen Schuldschein, der ihr Rätsel aufgibt. Wofür brauchte ihr Vater dieses Geld, und warum weiß niemand etwas davon? Sie ahnt nicht, dass dieser Schuldschein nur die Spitze eines Bergs von Geheimnissen ist. Dass sie selbst weitere ergänzt, erscheint ihr unmöglich. Doch zunächst nimmt Agneta erst einmal ihr Erbe an und stellt auch einen Verwalter ein. Max, der ihr bei der täglichen Arbeit unter die Arme greifen soll. Sehr bald merkt Agneta, dass sie beide mehr verbindet, als nur die Arbeit auf dem Gutshof. Hals über Kopf stürzt sie sich in eine Affäre, die ihr Verhängnis werden könnte. Schließlich zeigt auch ihr Jugendfreund Lennard Interesse an ihr und eine Verbindung ihrer käme ihren Müttern gerade recht.
Mit Beginn des ersten Weltkrieges verändert sich die Stimmung auf dem Hof, denn Max ist Deutscher und würde sich gerne alsbald zur Front melden. Agneta ist dies gar nicht recht, doch nur kurze Zeit später ist der Verwalter verschwunden und Agneta bleibt allein zurück und sieht ihr Leben erneut in Trümmern. Ihr Chaos wird noch größer, als sie erkennt in welchem Zustand Max sie zurückließ. Sie ist schwanger und damit in einer ähnlichen Lage, wie einst das Hausmädchen, dem sie eine Zukunft an der Seite eines homosexuellen Buchhalters schenkte. Ihre Freundin aus Stockholm kümmert sich um derartig alleinstehende Frauen. Ob sie ihr, Agneta, auch helfen könnte? Wer würde sie denn in diesem Zustand noch ehelichen? Schafft es Agneta ein glückliches und ehrbares Leben zu führen? Und was steckt nun eigentlich hinter dem rätselhaften Unfall ihres Vaters und Bruders?
Verwicklungen, die starke Charaktere erzeugen
Mit 800 Seiten ist dieses Buch das, was man gemeinhin als historischen Schmöker bezeichnet. Aus genau diesem Grund entschied ich mich, das Hörbuch zu hören. Corina Bomann erzählt eine Geschichte, die einerseits sehr gradlinig und chronologisch und andererseits doch durch zahlreiche Wendungen überrascht. Geschickt entwickelt sie dabei eine Geschichte rund um die politische Lage (mit Schwerpunkt auf die Frauenbewegung) und die gesellschaftliche Stellung der Frau. Alles in Allem ist dieser Roman also der Klassiker dessen, was man sich unter einem historischen Roman vorstellt. Dennoch ist er anders, da er weniger über die emotionale Komponente geht und dafür der Frau auch einen Verstand gibt, der der heutigen Zeit angemessen erscheint. Natürlich ist Agneta stark, aber keinesfalls schicksalsergeben. Sie kämpft um ihre Eigenständigkeit, tritt für ihre Ideen ein und führt somit jenes Leben, welches für uns heute nur 100 Jahre später selbstverständlich ist. Für uns Frauen erscheint es heute selbstverständlich, einem Beruf nachzugehen. In den 1940er und 1950er Jahren war dieses aber keinesfalls selbstverständlich. Ein Kind ohne Mann großzuziehen, war zwar immer noch als Armutsrisiko zu bewerten, stellt einen aber gesellschaftlich nicht mehr derart ins Abseits wie dies noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Mutter und Kind galt.
Corina Bomann hat starke, facettenreiche Figuren geschaffen, die nicht nur schwarz oder weiß sind, sondern starke und schwache Charakterzüge in sich vereinen. So etwas mag ich persönlich sehr gerne, da es doch die Figuren sehr lebensecht und greifbar erscheinen lässt.
Corinas Bücher sind stark
Ich selbst habe bereits einige von Corinas Büchern gelesen. Sie üben einen besonderen Reiz auf mich aus, ohne dass ich diesen näher ausführen könnte. Dieses Buch konnte mich dennoch überraschen, da es so lebendig und realistisch wie detailliert und glaubhaft ist und dennoch bei all diesen Aspekten sowohl nachdenklich als auch leicht ist. Dieses Buch stellt den ersten von drei Teilen dar, ist also der Auftakt in eine Trilogie, von der ich nach diesem starken ersten Teil viel erwarte.
Über Corina Bomann
„„Corina Bomann ist in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen und lebt mittlerweile in Potsdam. Sie hat bereits erfolgreich Jugendbücher und historische Romane geschrieben, bevor ihr mit Die Schmetterlingsinsel der absolute Durchbruch gelang. Seither gehört sie mit Titeln wie Ein zauberhafter Sommer, Die Jasminschwestern oder Die Sturmrose zur ersten Garde der deutschen Unterhaltungsschriftstellerinnen.“ (Hörbuch Hamburg)
Über Nora Jokhosha
„Nora Jokhosha, geboren 1977, absolvierte ihr Studium an der Westfälischen Schauspielschule Bochum. Neben ihrer Arbeit auf der Bühne war sie im Kinofilm What a Man zu sehen, außerdem synchronisiert sie US-Schauspielerin Felicity Jones. Im Bereich Hörbuch las sie Unterhaltungsromane von Geneva Lee oder Katy Evans. „(Hörbuch Hamburg)
Gut zu hören?
Die angenehm warme, leicht rauchige Stimme erinnerte mich zunächst leicht an Mechthild Großmann, die eine ähnliche Klangfarbe hat, jedoch noch tiefer spricht. Dennoch hat die Stimme von Nora Jokhosha auch einige Alleinstellungsmerkmale, wie ihre Akzentuierung und die Art ihre Stimme während des Lesens so einzusetzen, dass es eher wie eine Erzählung wird. Mir persönlich gefiel sie als Stimme von Agneta, die damit eine eigene Erzählstimme erhält, ausgesprochen gut. dennoch verstehe und begrüße ich auch das Konzept, jedem Hörbuch seine eigene Sprecherin zu geben, denn so erhält jede Generation der Löwenstein-Frauen ihre eigene Stimme.
Fazit
Ein Hörbuch, das es in sich hat, da es gleichzeitig Leichtigkeit, Herzenswärme, sowie Nachdenklichkeit und Tiefe ausstrahlt! Ich persönlich bin gespannt auf die Fortsetzung und freue mich jetzt schon sehr darauf.
No Responses