„Die falsche Neun“ von Philip Kerr ist der Abschluss der Fußball-Krimi-Trilogie um Scott Manson. In diesem dritten Krimi ist zunächst alles anders, da Scotts Karriere in der Premier League beendet ist. Der mittlerweile arbeitslose Trainer ist also auf der Suche nach einer neuen Herausforderung und wird schon bald gebeten sich auf die Suche nach einem verschwundenen Spieler zu machen, der für den FC Barcelona spielen sollte. Natürlich ist auch diese Geschichte aus der Feder von Philip Kerr wieder rein fiktiv das doch so sehr an realen Risiken und Strategien dran, dass man sie fast als möglich bezeichnen würde.
Realistisch, aber kaum vorstellbar
Tatsächlich könnte man diesen Krimi als sehr dicht an der Realität beschreiben. Gleichzeitig scheinen bestimmte Abgründe so schwierig oder tiefgründig zu sein, dass man sie sich kaum vorstellen möchte. Gibt es wirklich so starke Verwicklungen? Für so ein risikoreicheres hatte ich Fußball nun wirklich nicht erhalten, aber das war mir auch schon bei dem ersten und zweiten Fall rund um Scott Manson aufgefallen.
Ein reisender Detektiv
Durch die Arbeitslosigkeit des ehemaligen Trainers verändert sich der Verlauf der Geschichte. Scott wird wie gesagt um Hilfe gebeten, denn ein Spieler ist verschwunden. Wie auch schon in den vergangenen Büchern führt Scott viele Gespräche und doch lässt sich die Geschichte in diesem Fall nicht räumlich verorten, denn Scott reist dem verschwundenen Spieler oder besser gesagt der Spur, die er hinterlassen hat, hinterher.
Durch seine zahlreichen Gespräche kommt er nicht nur des Rätsels Lösung um das Verschwinden des Spielers immer näher, sondern entdeckt abermals geheime Machenschaften, die die Förderung von Nachwuchsspielern betreffen.
Schon der Klappentext dieses Buches machte neugierig und ließ mich einiges erwarten:“Nur weil Fußball ein Sport ist, heißt das nicht, dass immer fair gespielt wird – schon gar nicht, wenn es um junge Nachwuchstalente und internationale Verbände geht. Trainer Scott Manson landet wieder mittendrin im Sumpf des korrupten Spitzensports.
Scott Mansons Karriere als Fußballtrainer in der Premier League ist vorbei, bevor sie richtig begonnen hat. Nach einem Skandal bei London City und einem kurzen Intermezzo bei einem chinesischen Verein, dessen Eigentümer ein windiger Geschäftsmann ist, scheint Scotts Ruf endgültig ruiniert. Da erhält er einen Hilferuf vom FC Barcelona: Stürmerstar Jérôme Dumas ist nicht zum Training erschienen und wird seit einem Urlaub auf seiner Heimatinsel vermisst. Scott hat nur wenige Wochen Zeit, den Kicker zu finden. Auf seiner Spurensuche von Paris bis auf die Antillen begegnet Scott einem mörderischen System, das den Kampf um junge Talente auf ein anderes, tödliches Spielfeld verlegt hat.“ (Klett-Cotta)
Sprachlich in einem ähnlichen Stil
Betrachtet man die Entwicklung der Geschichte, so könnte man auf die Idee kommen, dass sich der Autor oder besser gesagt die Geschichte neu erfunden hat, doch das ist nicht unbedingt die Wahrheit, denn sprachlich wie stilistisch ist das Buch sehr dicht an seinen Vorgänger dran, einzig der Ablauf und die Handlung unterscheiden sich aufgrund der geänderten Umstände.
Ich kann nicht unbedingt sagen, dass dieses Buch sprachlich nicht wieder einiges an Balance zwischen Derbheit, Robustheit und Sachlichkeit darstellt, dennoch ist es wohl eine Mischung aus alledem, denn er sich an der Fußball-Thematik trotz Scott Mansons Arbeitslosigkeit wenig geändert hat, ist auch das Feld in dem er sich bewegt und indem er seine Dialoge führt, das gleiche geblieben.
Struktur stabil aber anders
Im Gegensatz zur Stabilität der Sprache ist die Struktur von Grund auf verändert, denn Scott ist ständig unterwegs, wodurch sich ganz neue Handlung Möglichkeiten ergeben. Obwohl er weiterhin hauptsächlich durch Dialoge ermittelt, was dem Buch eine gewisse Konstanz verleiht, ist doch vieles auf den ersten Blick anders, bei genauerer Betrachtung hingegen ähnelt der Plot strukturell seinen Vorgängern, obwohl er doch etwas aufgelockert wurde.
Klischees des Fußballs
Schon in den ersten beiden Büchern ist mir aufgefallen, dass Philip Kerr sehr gerne mit Klischees arbeitet. Auch in diesem Buch orientiert er seine Charakter wieder stärker an den Machos und Weiberhelden als an echten menschlichen Zügen, die ohne Klischees auskommen. Dennoch geht er in allen seinen Büchern all seine Charaktere angeht über dieses klassische Klischee hinaus. Scott Manson erscheint hin und wieder ein wenig zynisch, sexistisch und in seiner Sprache und Wortwahl ein wenig aggressiv und derb und ist doch auch feinfühlig, intelligent und scharfsinnig.
Diese Attribute erscheinen zunächst wie ein Widerspruch sind doch in diesem Buch sehr angenehm miteinander verwoben, denn Kerr spielt mit den Klischees und Vorurteilen, die man sicherlich in der Liga findet und die sich womöglich sogar bestätigen ließen, aber er schafft darüber hinaus etwas mit diesen Charakterzüge: Atmosphäre.
Typisch Fußball, oder was?
Die Atmosphäre entsteht durch die szenische Landschaft und es doch scheinbar typisch Fußball. Ich freue mich sehr darüber, dass ich diese während einer Fußballweltmeisterschaft gelesen habe, denn so hatte auch ich einen Teil der Atmosphäre immer wieder zum aufzusaugen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Reihe tatsächlich von seiner Atmosphäre lebt oder von seinen Fällen, denn eines fällt bei diesen Krimis schnell auf: die Entwicklung, die das Buch nimmt verläuft eher langsam und stetig, sodass man zu Beginn eines jeden Buches – und so auch dieses Mal – das Gefühl hat, es kommt zunächst kein echter Krimicharakter auf. Die Spannung steigert sich nämlich ebenso langsam wie der Verlauf der Handlung. Mir persönlich gefällt diese ungewöhnliche Art an den Krimi zu erzählen sehr gut, gleichzeitig weicht sie jedoch auch von meiner Vorstellung eines Krimis immer wieder ab.
Dieser Krimi oder besser gesagt die gesamte Reihe, bietet allerdings kein Potential für Menschen, die es brutal mögen, denn bis auf die Sprache und das Spiel mit den Klischees erscheint wenig an diesem Buch wirklich derb.
Ich habe dennoch den Eindruck, dass dieses Buch sich eher an robuste Leser wendet, denn an Liebhaber hoher sprachlicher Raffinesse. Aus diesem Grund fällt es mir auch schwer, dieses Buch als das einzustufen, was er ist, ein guter Krimi, der jedoch phasenweise auch ein gelungener Roman sein könnte.
Ein Autor und Fußballexperte
Wer sich dieses Buch genau ansieht, dem fällt schnell auf, da sich hier tatsächlich ein Autor echter Fußballexperte präsentiert, denn er blickt tief hinter die Kulissen dessen, was möglich ist, war das geschickt in seine Handlung ein und verwebt diese ebenso gekonnt zu einer Gesamttrilogie, die zwar hin und wieder eher zu einem Roman den zu einem Krimi wird, aber dennoch niemals langweilig ist.
Dennoch verzichtet dieses Buch bei allem Fachwissen auf echten Tiefgang, denn obwohl das Buch einige nachdenklich machende Aspekte beinhaltet, bleibt es atmosphärisch immer in der Nähe eines guten Fußballspiels. Es ist abwechslungsreich, ein Wechselspiel aus Spannung und Entspannung und einfach nur ein großer Spaß.
Über Philip Kerr
„Philip Kerr, geboren 1956 in Edinburgh, war New-York-Times-Bestsellerautor. Für seine Bestseller »Game over« und »Das Wittgensteinprogramm« wurde er u. a. mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Kerr war begeisterter Anhänger von Arsenal London. Er ist im März 2018 verstorben.“(Klett-Cotta)
Fazit
„Die falsche Neun“ von Philipp Kerr ist sicherlich kein Buch für jeden Leser und jeden Moment. Tatsächlich setzt auch dieser Abschluss der Trilogie Interesse an Fußball voraus und eine Begeisterung für ungewöhnliche Krimis.