Auch an dieses Interview, das nun bereits anderthalb Jahre zurückliegt, erinnere ich mich gerne und freue mich bereits auf die nächste Leipziger Buchmesse, nach Frankfurt fahre ich nämlich nicht. Dieses Interview entstand zu einer Zeit, als „Fifty Shades of Grey“ gerade in aller Munde war und ich mich fragte, ob diese Reihe den Lesekonsum der Chick-Lit-Leserinnen beeinflusste. „„Fifty Shades of Grey“ war zu dieser Zeit noch nicht in den Kinos, aber bereits angekündigt. Dass es durch die Verfilmung einen neuerlichen Hype geben würde, war absehbar, dass es jedoch ein ganzes Genre begründen würde noch nicht. Mittlerweile weiß ich, dass sich durch diese Reihe das Genre der New-Adult-Bücher etabliert hat. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb hatten Kerstin Hohlfeld und ich ein sehr interessantes Gespräch und das nicht nur über „Fifty Shades of Grey“, sondern natürlich auch ihre eigenen tollen Bücher, die, obwohl sie Frauenromane sind und zum Chick-Lit-Genre gehören, überhaupt nicht kitschig, sondern einfach nur urkomisch oder auch romantisch sind. Liebe Kerstin, ich freue mich auf die Leipziger Buchmesse 2017! Werde ich auch dich dort treffen? Womöglich mit einem neuen Buch? Ich würde mich freuen!
Marie Lanfermann: Hallo Frau Hohlfeld, ich freue mich, dass ich mit dir heute ein Interview führen darf, vielen Dank schon einmal, dass Sie sich Zeit dafür genommen haben. Meine erste Frage an Sie: Würden Sie sagen, dass die Chick-Lit-Bücher momentan im Trend liegen, vielleicht auch wegen „Shades of Grey“?
Kerstin Hohlfeld: Ja, das würde ich schon sagen, weil ja auch „Shades of Grey“ so erfolgreich war. Aber keiner möchte im Grunde genommen noch mal „Shades of Grey „schreiben oder was auch immer erfolgreich ist. Es gibt Trends und es ist ja auch gut, dass es die gibt. Man kann sich daran orientieren, aber man muss seine eigene Geschichte erzählen.
M. L.: Wobei „Shades of Grey“ ja jetzt wegen des Films noch mal neu hochkommt.
K. H.: Ja, Wahnsinn, oder?
M. L.: Ich persönlich habe mich geweigert, die Bücher zu lesen. Ich persönlich habe mich auch geweigert, den Film zu gucken und zwar nicht, weil es dort erotische Szenen gibt, sondern weil ich für mich entschieden habe, entweder lese ich die Bücher, dann aber nicht jetzt, sondern wenn der Hype dann irgendwann einmal vorbei ist.
K. H.: Ja, also es gibt ja viele, die das sagen: „Ich wollte das nicht lesen, hat mich nicht interessiert.“ Oder: „ Ich habe es angelesen und es hat mir nicht gefallen, es ist nicht so meins“. Aber wie gesagt, Millionen haben es geliebt überall auf der Welt.
M. L.: Stimmt, nur die ganzen Blogger sind sich in ihren Meinungen momentan, finde ich, sehr ähnlich. Wenn ein Buch irgendwo auftaucht und es da gefallen hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es auch den anderen Bloggern gefällt. Ich habe letztens ein Buch rezensiert, ich weiß gar nicht mehr, welches genau es war, aber drei Tage später sah ich dieses Buch auf 15 anderen Blogs, wo ich mich dann fragte, was mir der Blog jetzt damit sagen will, denn es war inhaltlich genau meine Rezension. Nicht wortwörtlich, aber inhaltlich passte es genau und ich fragte mich, warum sind die Geschmäcker so ähnlich?
K. H.: Hattest du das Gefühl, dass das da einer vom anderen so ein bisschen abguckt?
M. L.: Zum Teil schon.
K. H.: Oh, das ist ja übel. Dafür macht man ja keinen Blog, da will man ja eigentlich seine eigenen Gedanken darstellen.
M. L.: Ich habe einen Tag vor der Buchmesse eine Rezension geschrieben, denn bei Goldmann ist das Buch „Holly – Februar“ erschienen, das erscheint einmal monatlich. Dazu habe ich geschrieben, es erinnere mich, wenn es eine Fernsehsendung wäre an eine Soap. Da haben mir etliche Blogger zugestimmt. Ich habe dann das gleiche aber auch bei fünf anderen Blogs gelesen und ich frage mich, wodurch diese Gemeinsamkeiten zustande kommen. Aber es liegt auch zum Teil daran, dass die ganzen Blogger Mainstream lesen und davon versuche ich jetzt ein bisschen Abstand zu nehmen.K. H.: Ah ja, das verstehe ich.
M. L.: Denn ich persönlich kann nicht unbedingt sagen, ich möchte jetzt nur noch das lesen, was alle anderen lesen, denn dann hebe ich mich als Blogger ja nicht mehr von der Masse ab. Und ich glaube, euch Autoren geht es da ähnlich.
K. H.: Jaja, genau, es ist schon so, dass man seine eigene Note setzten muss, ob als Blogger, als Mensch, als Autor oder wie auch immer. Ein Teil der Masse und trotzdem etwas Eigenes zu sein ist irgendwie entscheidend.
M. L.: Und das hat mir bei deinen Büchern auch sehr gut gefallen. Denn du hast es geschafft, obwohl es natürlich Frauenbücher sind, irgendwie ein persönliches Image noch hineinzuschreiben…K. H.: Das ist schön, das freut mich zu hören.
M. L.: … und eine Geschichte mit Persönlichkeit zu konstruieren.
K. H.: Das ist auch wirklich ganz klar immer mein Ziel, also schon immer in der Masse und dabei trotzdem individuell zu sein, also so eine Art Mischkalkulation zu finden. Wenn man nur individuell ist, ist es auch schwer.
M. L.: Bei dem Buch („Wenn das Glück anklopft“) fand ich zum Beispiel schon das Cover sehr genial, denn auch das unterscheidet sich von den klassischen Chick-Lit-Büchern, die ich dann wirklich schon rigoros ablehne. Die sind knallig, dick und beschäftigen sich schon im Titel irgendwie mit Liebe und das tut dein Buch als ganzes nicht.
K. H.: Ja, es ist eigen mit dieser Dame, die auch im eigentlichen nicht wahnsinnig schön ist. Man hat ja oft wahnsinnig schöne Frauen auf dem Titel und sie ist nicht so mit ihren grauen Haaren. Das stimmt jetzt nicht ganz mit den Protagonistinnen überein, die nicht so alt sind und die Frau auf dem Bild hat auch diese große Nase, deshalb ist es schon anders.
M. L.: Aber es passt, denn es ist ein Buch zum Wohlfühlen.
K. H.: Ja, genau, die Badewanne ist schön, oder? Also als ich es zuerst gesehen habe, gebe ich zu, da dachte ich „naja…“.
M. L.: Wie hättest du denn dein Cover gerne gehabt?
K. H.: Die Frage kann ich dir nicht beantworten, denn wenn ich etwas nicht kann, dann ist es ein Cover vor mir zu sehen. Ich visualisiere auch nicht, wenn ich schreibe, wie das Cover aussehen müsste. Aber wenn ich es dann bekomme, dann muss es mich richtig überzeugen oder es überzeugt mich eben nicht und bei dem war das eben nicht so ganz überzeugend.
M. L.: Wobei ich weiß, dass viele Bloggern, die darüber auch schreiben, das als Kopfkino betrachten. Und ich kann auch sagen, wenn ich mir bestimmte Bücher anschaue oder bewusst auch mehrere Stunden darin verweile, dann läuft bei mir auch eine Art Kopfkino ab, wo ich dann eine genaue Vorstellung entwickle, wie genau der Protagonist auszusehen hat. Deshalb kann ich mir auch zu bestimmten Büchern die Filme nicht anschauen, weil ich konkrete Vorstellungen davon habe, wie die Personen aussehen. Ich habe vorhin mit Andreas Föhr ein Interview geführt und wir haben darüber philosophiert, wie seine Figuren in einem Film auszusehen hätten. Ich hatte mir vorgenommen, einmal eine etwas ungewöhnlichere Frage zu stellen, deshalb kamen wir darauf zu sprechen. Wir hatten da beide ähnliche Vorstellungen und beide ein konkretes Bild von seinen Protagonisten, aber uns viel auf Anhieb kein Schauspieler ein, der all diese Vorstellungen umsetzen würde.
K. H.: Ja, das ist schwierig, wenn man seine eigene Idee von etwas hat. Oder man macht es andersherum, indem man sich beim schreiben einen bestimmten Schauspieler bereits vorstellt, der das gut verkörpern würden.
M. L.: Genau, aber das ist ja auch selten.
K. H.: Stimmt, das macht auch keiner, weil wir ja alle nicht davon ausgehen, dass die Bücher verfilmt werden. Das ist natürlich immer so ein Traum, aber ich würde jetzt nicht beim Schreiben beispielsweise meiner „Milena“ oder so an jemanden direkt denken. Abgesehen davon gibt es gar keine übergewichtige Schauspielerin.
M. L.: Wie wäre es mit der früheren Christine Neubauer? Die hätte die Rolle möglicherweise gut ausfüllen können.
K. H.: Stimmt, früher hätte sie vielleicht in die Rolle gepasst.
M. L.: Aber mittlerweile finde ich, ist sie weniger Persönlichkeitsschauspielerin.
K. H.: Naja, die haben alle schon ein bestimmtes Maß, alle Ansagerinnen oder Moderatorinnen, die sind alle schlank, irgendwie schön und haben tolle Haare. Natürlich macht es auch viel aus, dass sie ausgeleuchtet und retuschiert werden. Das ist wie bei eigenen Fotos, wenn eine Fotografin das macht, dann sieht man nicht ganz so alltäglich aus, wobei ich immer noch ich sein möchte auf meinen Bildern.
M. L.: Das kann ich gut verstehen, so geht es mir beim bloggen auch. Ich als Bloggerin möchte authentisch sein und selbst entscheiden. Womit du mich auf eine andere Frage bringst: Welchen Umgang mit Bloggern würdest du dir wünschen?
K. H.: Ich stelle mir vor, wenn ich bloggen würde, würde ich mir am liebsten selbst aussuchen, welche Bücher und nicht nach dem Motto, die Neuerscheinungen kommen in einem riesigen Paket mit 50 Büchern und man denkt sich, dass man das alles vielleicht gar nicht lesen möchte. Das bringt einen ja total unter Zugzwang.
M. L.: Richtig, genau aus diesem Grund habe ich auch irgendwann gesagt, ich nehme keine typischen Frauenbücher mehr an. Das hat jetzt den Vorteil, dass die Verlage anfragen, bevor sie etwas schicken. Das finde ich persönlich wirklich den besseren Weg. Ähnlich war das ja auch bei deinem Buch, bei dem ich anfangs geschrieben hatte, dass ich mir nicht sicher sei.
K. H.: Genau, ich hatte ja gefragt, wer gerne das Buch lesen möchte und du hattest mir geantwortet, dass du mal schaust. Da habe ich dir ja auch geschrieben, dass du es einfach ausprobieren kannst. Normalerweise schicke ich meine Bücher gerne an Leute, die das Buch auf jeden Fall lesen möchten, aber in diesem Fall hat es ja gut geklappt, wenn sie dir gefallen haben.
M. L.: Ja, mit deinen Büchern komme ich sehr gut zurecht. Wenn dein Stil sich nicht großartig ändert, wovon ich mal nicht ausgehe, dann werde ich auch die nächsten gerne wieder lesen.
K. H.: Dann wird dir das nächste auch gefallen, das erscheint im September und heißt „Morgen ist ein neues Leben“ vom Ullstein-Verlag.
M. L.: Das würde mich freuen, wenn ich es auch lesen darf.
K. H.: Ich habe auch schon eine kleine Liste mit Bloggern, die ich wirklich gerne versorge, weil ich weiß, dass sie gerne meine Bücher lesen.
M. L.: Das ist super, dann freue ich mich auf die Erscheinung. Und damit bedanke ich mich jetzt auch schon für das Gespräch mit dir, es hat mich gefreut, dich zu treffen.
K. H.: Sehr gerne, vielen Dank auch von meiner Seite.
Yvonnes Lesewelt
Hey!
Den Vergleich von Fifty Shades of Grey und Chick-Lit kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Für mich zwei völlig verschiedene Genres. Zu sagen, dass Chick-Lit (heitere Frauenromane mit wenn überhaupt Sex vorkommt, dann eher Blümchensex) wegen des Erfolges eines erotischen Romanes (der etwas härteren Gangart) im Trend liegt halte ich für sehr gewagt.
LG
Yvonne
Marie
Liebe Yvonne,
Das Gespräch fand zur LBM 2015 und ist etwas aus dem Umfeld gerissen. Damals standen die Chicklits direkt neben diesen Büchern, was uns zunächst sehr verwunderte und dann amüsierte. Wir standen während des Gesprächs räumlich genau zwischen diesen Büchern. Links Randomhouse FSoG und daneben Droemer Knaur Chicklit (im Sinne der Frauenunterhaltung). Und wir im Gang dazwischen.
LG,
Marie
Yvonnes Lesewelt
Danke für die Erklärung.
Nicole Katharina
Hi
Warum fährst du denn nicht nach Frankfurt?
Weil der Weg zu weit ist? Oder es dir dort nicht gefällt?
Lieben Gruß
Marie
Liebe Nicole Katharina,
Frankfurt für mich räumlich sogar etwas mehr als Leipzig. Trotzdem finde ich ist es in Leipzig eine andere Atmosphäre. Ich persönlich denke, dass Leipzig mir persönlich etwas familiärer ist. Mag sein, dass täusche, aber mir erscheint Leipzig etwas authentischer.
Von vielen hörte ich, dass die Buchmesse in Frankfurt um ein Vielfaches größer ist, mir persönlich geht es nicht darum viele Bücher auf einem kleinen Raum präsentiert zu bekommen, sondern darum Menschen auszutauschen, Kontakte zu knüpfen, mir aktuelle Buchthemen anzuschauen und mich gleichzeitig nicht zu überladen.
Ich war einmal für ein Seminar in Frankfurt. Das Seminar war spitze, und ich würde jederzeit wieder ein Seminar bei meinem Anbieter besuchen, die Stadt jedoch war nicht so meins. Irgendwie erscheint sie mir distanzierter, unnahbarer und das passt nicht zu meiner Vorstellung vom Lesen.
Ich hoffe, ich habe deine Frage damit beantwortet.
Viele Grüße,
Marie
Kasin von KeJas-Blogbuch
Chick-Lit ist ja eines der Genre das ich so gar nicht lese. Dennoch hat mir dieses Interview richtig gut gefallen. Die Aussage zu den inhaltlich oft gleichen Rezensionen/Meinungen beschäftigt mich auch oft. Solche lese ich immer erst nach meiner Rezension und bin regelmäßig verwundert das viele andere es genauso sehen. Also sind wir LeserInnnen letztendlich doch alle recht gleich in unseren Buch-und Leseempfindungen. Wobei Ausreißer gibt es natürlich auch 😉 und so soll es ja sein. Jetzt liest nach seinem Wohlgefühl und ich brauche es halt spannend, vielleicht lese ich deswegen keinen Chick-Lit 🙂
Liebe Grüße
Kasin
Marie
Liebe Kasin,
Chick- Lit-Bücher lese ich auch nicht allzu oft. Im Fall von Kerstin Hohlfeld wurde mir jedoch versichert, dass es keinesfalls so vorhersehbar ist wie die meisten Bücher dieses Genres. Für mich gehören Kerstins Bücher aber auch nicht unbedingt in dieses Genre. Sie selbst und auch der Verlag sagt mir jedoch, dass es eben zu diesem Genre gehöre. Also muss ich das so akzeptieren.
Was das Leseempfinden von Lesern angeht, denke ich, hat es viel etwas damit zu tun, dass es ein sogenanntes Mainstream gibt. Ich könnte jetzt nicht sagen, wie der klassische Leser aussieht, tendiere aber dazu, dass es irgendwo eine typische Zielgruppenbeschreibung für jedes Genre gibt und vermutlich ähneln sich die Leser eines Genres tatsächlich irgendwie.
Mir persönlich gegen diese gehypten Bücher manchmal ganz schön auf den Wecker, sodass ich mittlerweile angewöhnt habe, ein Buch nicht mehr zu lesen, weil es ein Hype darum gibt, sondern weil es mich anspricht und mich unterhält.
Obwohl ich selbst Bücher rezensieren sind mir die Meinungen anderer zu Büchern nur eine Hilfe, alleine stehen lasse ich jedoch nicht. Ich bilde mir gerne mein eigenes Urteil und glaube, dass ich mit dieser Vorgehensweise ganz gut fahre.
Viele Grüße,
Marie
Nisnis's Bücherliebe
Liebe Vielleserin,
Chick-Lit gehört nicht zu meinem Lieblingsgenre, aber dein Interview hat mich inhaltlich sehr interessiert. Du stellst einfach die richtigen Fragen, deren Antworten dann super interessant zu lesen sind.
Viele liebe Grüße
Nisnis
Marie
Liebe Nisnis,
ich selbst lese das Genre auch nur selten und mit sehr ausführlicher Vorabinfo, was mich erwartet. Interviews im Live-Umfeld liegen mir. Ich mache einfach gerne Stehgreif-Interviews. Bevor es nun heißt: Mangelt es da nicht an der Vorbereitung? Nein, denn zur Vorbereitung gehört Terminvereinbarung treffen, Buch lesen und sich informieren. Nur sind die Fragen vorher nicht festgezogen, sondern eher situativ.
Liebe Grüße,
Marie