An den Roman „Space Girls“ von Maiken Nielsen bin ich zugegebenermaßen mit einem gewissen Respekt herangegangen, wusste ich doch, dass dieser fiktive Roman durch die wahre Geschichte der Mercury 13-Frauen inspiriert wurde. Gleichzeitig mit dieser Erkenntnis wurde mir jedoch auch bewusst, dass dieser Roman nicht unbedingt typisch für diese warmen Temperaturen ist. Im Vergleich zu den Sommerbüchern, die ich sonst so lese, ist dieser Roman anspruchsvoll, besitzt Tiefe und eine hohe Empathie für jede Einzelne der handelnden Figuren.
Space Girls ist eine fiktive Biografie einer ebenso erfundenen Teilnehmerin, die an dem Mercury-13 Projekt teilnahm. Dennoch ist dieses Buch alles andere als leichte Kost, „Space Girls“ von Maiken Nielsen ist Frauengeschichte auf hohem Niveau. Dieses Buch macht aber auch deutlich, wie wichtig es sich auch heute noch für Frauenrechte stark zu machen. Dies zeigen auch Biografien wie jene der Aenne Burda.
Eine Kindheit auf der Flucht
Juni Richter wird an einem Tag geboren, der irgendwann im Zweiten Weltkrieg liegt. Als Junis Mutter Martha entdeckt, dass sich ihre Eltern auf der Flucht befinden, offenbar auf dem Weg nach Paris, beschließt sie ebenfalls zu flüchten und lässt den Vater ihrer gerade erst geborenen Tochter zurück.
Für Juni und ihre Mutter bedeutet dieser Schritt ein Leben, das über einige Jahre eine ständige Flucht darstellt. So flüchten die beiden zunächst nach Frankreich und wenig später mit einer Schiffspassage in die USA, konkreter nach New Orleans, denn während Überfahrt lernte Martha einen jüdischen Mann, Ben, kennen, einen Piloten mit großer Leidenschaft für Musik.
Als es wenig später etwas turbulenter wird, nimmt er sie kurzerhand unter seine Fittiche und so wird aus der allein erziehenden Mutter und dem Fremden ein Paar. Für Juni erscheint die Kindheit scheinbar unbeschwert, obwohl sie natürlich spürt, dass etwas anders ist.
Ein Geheimnis, das alles verändern kann
Während Juni heranwächst, drückt die Vergangenheit ihrer Mutter immer stärker. Es ist ein Geheimnis, das alles verändern kann und ihre Tochter hat sich doch gerade erst entschieden Pilotin zu werden und sich damit einen Traum zu erfüllen, der praktisch ihr in die Wiege gelegt ist. Für Martha ist dies ein Schock, denn sie hat ein dunkles Geheimnis vor ihrer Tochter, der sie bislang ihre Herkunft verschwiegen hatte.
Auch dass Marthas Eltern im KZ ermordet wurden, weiß Juni nicht, genauso wenig, dass ihr Opa aufgrund seines technischen Verständnisses beim Bau der Raketen helfen sollte, die schließlich den Flug zum Mond ermöglichen sollen. Doch etwas geht schief und Marthas Vater wird hingerichtet. Dass der Mann, der ihren Opa tötete, nun aber am Raketenbauprojekt der USA beteiligt ist, kann Juni nicht wissen. So nimmt eine Geschichte ihren Lauf, deren Verlauf man so nicht erwartet hätte.
Darüber hinaus ist Juni bei ihrer Ankunft in den USA unglücklich darüber, dass ihre Freundschaft zu Louis, einem Jungen, dessen Familie sie in Frankreich aufnahm, scheinbar ein Ende haben soll. Doch schon bald fügt sie sich in das neue Leben, lernt die Sprache und wünscht sich nichts mehr, als fliegen zu können. Als ihr Ziehvater sie mit auf dem Flugplatz nahm, erkannte sie, dass aus ihrer Sehnsucht fliegen zu können, eben doch etwas werden könnte und dass es nicht bei dem Traum bleiben muss.
Die Geschichte der Frauen der Mercury 13
Der Name Mercury 13 steht für eine Gruppe von Pilotinnen, die davon träumten zum Mond zu fliegen. Zu diesem Zweck nahmen sie in den 1960er Jahren in der Klinik von Dr. William Randolph (Randy) Lovelace erfolgreich an medizinischen Tests teil. Die Tests selbst waren jedoch gar nicht für die mutigen Frauen konzipiert, sondern für die ersten männlichen Astronauten des Mercury-Programms. Somit galt es als unerwartet, dass es den Frauen möglich wäre, diese Tests zu bestehen. Sie bestanden dennoch.
Allerdings wurde das Projekt privat finanziert und war nicht Teil der Astronautenrekrutierung der NASA. Stattdessen sollte dieses Projekt zeigen, dass auch Frauen physisch und psychisch dazu in der Lage sind, die Anstrengungen eines Aufenthalts im Weltall zu überstehen. Obwohl sich die Beteiligten dafür stark machten, wurden die Frauen in den 1960er Jahren jedoch nicht in Missionen eingesetzt. Dies änderte sich erst als die NASA 1978 ihre Anforderungen an Astronauten veränderte, so dass auch Frauen eine Chance bei einer Bewerbung hatten.
Drei Männer – eine Mission
Statt der 13 Frauen fliegen letztendlich drei Männer zum Mond und die Geschichte, die sich in diesem Jahr zum 50. Mal gejährt hat, ist allen bekannt. Neil Armstrong war der erste Mann auf dem Mond. „The Eagle has landed.“ Der Adler ist gelandet. Knapp sechs Stunden später verlässt er das Raumschiff und funkt ein weiteres Mal. „That’s one small step for a man, one giant leap for mankind.“
Ja, Neil Armstrong hatte recht. Für ihn mag dies ein kleiner Schritt gewesen sein, für die Menschheit ging ein Wettlauf zu Ende, ein Traum wurde wahr. Diese Geschichte spielt als Nebenhandlung ebenfalls in das Buch hinein. Ebenso wie die fanatischen Forschungsideen zum Thema Mondlandung der Nationalsozialisten während des 2. Weltkriegs in Deutschland.
Wernher von Braun gilt als der Umstrittene, hat er doch seine Forschung als überzeugter Nationalsozialist begonnen und sie schließlich in den USA beendet. Auch dieser Wernher von Braun bildet eine Form von Nebenhandlung, die doch sehr stark mit der eigentlichen Handlung verwebt ist.
Stil
Der Stil, in dem Maiken Nielsen Geschichte der 13 Frauen um Jerry Cobb, die in diesem Buch ebenfalls eine Rolle spielt, erzählt ist eindringlich, emotional und einfühlsam, auch aufwühlend und in gewisser Weise frustrierend. Dabei merkt man der Journalistin an, wie viel ihr die Luft- und Raumfahrt bedeutet, denn obwohl sie vor allem durch Handlung erzählt, bewegt sie doch von Emotionen und löst diese auch beim Leser aus.
Dies ist es wahrscheinlich auch, was „Space Girls“ von Maiken Nielsen so anspruchsvoll erscheinen lässt. Denn die Sprache, in der das Buch geschrieben ist, ist dicht an der Geschichte und am Alltag ihrer Leser. Besonders schwer ist dabei eigentlich nicht der Ausdruck, den die Geschichte verwendet. Vielmehr wirkt sich die emotionale wie historische Dichte aus.
Nimmt man die einzelnen Erzählfäden, Handlungen und Nebenhandlungen zusammen, ergibt sich ein dichtes aber authentisches Bild einer Geschichte, die so noch nie erzählt wurde. Historisch fundiert entstand ein Roman, der ebenso gut auch die Wirklichkeit abbilden könnte.
Über die Autorin Maiken Nielsen
„Maiken Nielsen wurde 1965 in Hamburg geboren. Einen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbrachte sie auf Frachtschiffen und wurde dort von ihren Eltern unterrichtet. Sie absolvierte ihr Abitur in Hamburg und reiste danach ein Jahr lang per Anhalter durch Europa. Im Anschluss an diese Reise studierte sie u.a. Linguistik in Aix-en-Provence. Sie liest und spricht sechs Sprachen. Seit 1996 arbeitet Maiken Nielsen als Autorin, Reporterin und Rundfunksprecherin für das NDR Fernsehen.
Sie dreht TV-Dokumentationen („Als die Sturmflut nach Hamburg kam“, „Geraubte Leben -Europa im KZ Neuengamme“) und schreibt Romane.
Fazit zu „Space Girls“ von Maiken Nielsen
Ein Roman der an Intensität kaum zu überbieten ist, aber dennoch nicht unbedingt für jedermann gleich geeignet. Dieser Roman ist das Gegenteil eines leichten Sommerbuches, aber gerade aufgrund seiner wahren Begebenheiten und der dicht verwobenen Geschichte zwischen Juni und ihrer Mutter Martha absolut lesenswert.
Mein Tipp: Lest „Space Girls“ von Maiken Nielsen an einem Wochenende im Herbst, denn es erfordert schon ein hohes Maß an Konzentration, doch es lohnt sich und ist emotional aufwühlend.