Auf „Drifter“ von Ulrike Sterblich freute ich mich sehr, da die moderne PR-Thematik mein Interesse weckte. Dass dieses Buch ganz anders werden würde, als ich es erwartet hatte, konnte ich anfangs natürlich nicht wissen. Ebenso wenig, ob mir diese Variante gefiel.
Tatsächlich beginnt auf den ersten Blick alles ganz harmlos. Die Freunde Wenzel und Killer führen ein Leben auf der Überholspur: Der eine war erst kürzlich zum PR-Chef eines großen Lebensmittelkonzerns befördert worden (Killer) und der andere betreut Social Media-Kanäle bei einem TV-Sender (Wenzel). Sie kennen sich seit Kindheitstagen, seit sie gemeinsam in einer Hochhaussiedlung aufwuchsen und Freunde wurden.
Soweit zur Ausgangslage. Als Leserin oder Leser steigen wir an dem Tag ein, als Wenzel von der Beförderung seines besten Freundes erfährt. Beide möchten diesen Erfolg feiern und beschließen die Pferderennbahn zu besuchen und ein paar Wetten abzuschließen.
„Drifter“ von Ulrike Sterblich: Die Frau im goldenen Kleid
Während der U-Bahn-Fahrt zur Rennbahn, begegnet den beiden Männern eine Frau im goldenen Kleid, die aufgrund ihres gesamten Auftretens Eindruck auf die beiden macht. Noch ahnt keiner der beiden, welche Veränderungen sie insbesondere in Killers Leben verursacht.
Zunächst einmal in Bezug auf die Pferdewetten, weil Killer auf x-beliebige Pferde gesetzt hat und dann auch noch stets auf Sieg. Wenig später nimmt eine Geschichte ihren Anfang, mit der so wohl keiner gerechnet hätte. Tatsächlich gibt es insbesondere in Killers Leben einige Veränderungen, die so nicht zu erwarten waren und doch seit der Frau im goldenen Kleid ihren Anfang nahmen. Rückblickend betrachtet.
Anfangs ist es die ungewöhnliche Aufmachung der Frau im goldenen Kleid, die Killers Neugier weckt: Neben der Frau im goldenen Kleid sitzt ein zotteliger Hund und in der Hand hält sie ein ihm gänzlich unbekanntes Buch seines Lieblingsautors K:B. Drifter. Dieses Buch gibt ihm Rätsel auf, denn es ist noch nicht erschienen.
Tatsächlich ist die Figur der Ludovica eine weibliche Trickster-Figur, die dem Leben und der Freundschaft von Killer und Wenzel ganz neue Wege aufzeigt. Persönlich lese ich eher selten Fantasy-Romane und auch hier hätte ich vermutlich nicht zugegriffen, wenn mir dieser Aspekt direkt aufgefallen wäre.
Dieser Aspekt bedeutet jedoch nicht, dass ich mich in dem Genre nicht ausgeben würde. Ich weiß, dass Trickster-Figuren viel häufiger männlich als weiblich besetzt sind, darüber hinaus ist mir bekannt, dass diese Figuren häufig mit Gegensätzen spielen. Im Fall von Vica wird dies schon anhand ihres Nachnamens deutlich. Malabene enthält sowohl Komponenten, die auf das schlechte als auch das gute innerhalb ihrer Figur hinweisen.
Ulrike Sterblich hat diesen Namen also bewusst für diese Trickster-Figur gewählt und vereint ihr sowohl positive Veränderungen, als auch negative. Mir persönlich gefiel diese Dynamik, die sich in dieser Figur zeigt und sowohl Killer als auch Wenzel mitreißt ausgesprochen gut.
Sie lässt die Geschichte unvorhersehbar werden, sodass ich als Leserin davon ausgehe, dass sich in jeder Sekunde des Lesens steht etwas verändert. Die Autorin spielt innerhalb ihres Romans mit den Möglichkeiten und den Kontrast und bedient sich dabei der Gedankenwelt der Quanten und das insbesondere in der Figur von Ludovica Malabene, der Leiterin eines Imperiums.
„Drifter“ von Ulrike Sterblich: Ein Blitzschlag, der alles verändert?
Auf dem Weg von der U-Bahn zur Pferderennbahn begegnen den beiden Freunden drei Mädels und da Killer Lust auf ein paar Flirts hat, verbringen die fünf die nächsten Stunden gemeinsam mit Pferdewetten und Alkohol. Nach einem unbedachten Kommentar von Wenzel löst sich die Runde dann jedoch zügig auf.
Killer und Wenzel beschließen gerade den Heimweg antreten zu wollen, als Killer, der einige Meter vorauslief vom Blitz getroffen wird. Dieser Blitz hinterlässt Spuren und leitet glaubhaft Veränderungen ein, denn Killer beginnt damit, sein bisheriges Leben zu überdenken.
„Drifter“ von Ulrike Sterblich: Vom Wert einer Freundschaft
Wenzel ist dabei stets an seiner Seite. Seine Wandlung ist jedoch konträr zu der Killer. Auch diese Spiel dagegen Wirklichkeit, dass dennoch die Freundschaft nicht gefährdet macht deutlich, wie sehr wir in unserem täglichen Leben von unseren Entscheidungen beeinflusst werden.
Je nachdem, ob wir uns für das ein oder andere entscheiden, hat jede unserer Entscheidungen einen Einfluss unser weiteres Leben. Stets und ständig bieten sich uns in unserem Alltag Möglichkeiten an, aus denen wir letztlich wählen müssen.
Das Gedankenspiel, welches in „Drifter“ von Ulrike Sterblich Fahrt aufnimmt, erinnert an „Schrödingers Katze“ im weitesten Sinne, denn dort geht es ja darum, dass es jede Möglichkeit gibt, bevor man die Kiste mit der Katze erstellt. Im Fall von „Drifter“ bleibt jede Möglichkeit so lange bestehen, bis man sich für eine dieser Optionen entscheidet.
Meiner Ansicht nach macht dieser Aspekt den Roman zu etwas besonderem, denn letztlich entscheiden sich sowohl Wenzel als auch Killer für ihre Freundschaft, treffen aber darüber hinaus einige Entscheidungen, die ihr ganzes Leben nachhaltig verändern.
Mir persönlich hat das Lesen dieses Buches Spaß gemacht, aber ich kann auch sagen, dass ich es schwierig fand, die einzelnen Aspekte, diesen Roman so wertvoll machen nachzuvollziehen. Als unterhaltend würde ich ihn deshalb nicht ausschließlich betreffend, sondern möglicherweise nur jemandem empfehlen, der daran interessiert ist, sich philosophisch mit diesem Roman auseinanderzusetzen.
Bei diesem Roman geht es Freundschaft zwischen Wenzel Zahn und Marco Killmann, es geht um den Aufstieg und den scheinbaren Fall, aber es geht Hintergrund auch um die Frage, wie relativ unser Leben doch ist, wie beeinflussbar und abhängig von unseren Entscheidungen.
„Drifter“ von Ulrike Sterblich: Wenzels Perspektive als ständiger Begleiter und Beobachter?
Tatsächlich nimmt Wenzel zu Beginn des Romans die Position des guten Freundes ein, er fungiert damit für mich als Leserin als eine Art ständiger Begleiter von Killer als heimlicher Beobachter. Die Geschichte wird vollständig aus seiner Perspektive erzählt.
Es handelt sich bei diesem Roman also um einen personalen Erzähler, der lediglich beschreibt, was er wahrnimmt, sei es aus Gesprächen oder in dem er das wiedergibt, was er sieht. Nicht beschrieben wird beispielsweise die Gedankenwelt von Marco Killmann, der vom Blitz getroffen plötzlich seine gesamte Realität infrage stellt und alles hinterfragt, was er bis jetzt entschieden hatte.
Aus dem erfolgreichen PR-Menschen mit Aussicht auf eine große Karriere, wird ein gänzlich anderer Mensch und aus dem kleinen Angestellten Wenzel, der ein einfaches Mitglied des Community-Teams ist, wird ganz nebenbei jemand, der beginnt aufzusteigen und zwar ohne, dass dies von ihm selbst bemerkt wird.
Vielleicht ist dies der Grund, warum ich mir nicht sicher bin, ob Wenzel nur die Rolle des Begleiters und Beobachter innehat. Schließlich hat auch seine Figur eine gewisse Tiefe und erlebt einen Wandel, gleichwohl mit dieser Wandel weniger offen als bei Killer, der augenscheinlich einen tiefen Fall erlebt und dennoch letztlich glücklich beziehungsweise zufrieden bleibt.
„Drifter“ von Ulrike Sterblich: Ein Roman zwischen Illusion und Realität
Persönlich fällt es mir schwer, diesen Roman als einen Fantasyroman zu begreifen, da ich ihn unter dieser Kategorie höchstwahrscheinlich nicht gelesen hätte. Gleichzeitig ist er auch alles andere als ein typischer Fantasyroman. Er spielt nämlich in einer Welt, die unserer sehr ähnlich ist.
Außerdem gibt es mit Ausnahme von Vica keine Figuren mit übernatürlichen Fähigkeiten. Ja, nun könnte man sagen, dass Vicas Manipulationen gewissermaßen magischen Ursprung sind, aber das gilt nur, wenn man daran glaubt, dass sie tatsächlich den Blitz ausgelöst hat, der Killers und letztlich auch Wenzels Leben so nachhaltig auf den Kopf gestellt hat.
Glaubt man nicht daran, dass sie magische Fähigkeiten besitzt, so schwebt man bei diesem Roman immer noch zwischen Illusion und Realität, aber er verliert seine Fantasie-Elemente und wird gleichzeitig unheimlich vielschichtig, da er und als Leserinnen und Leser vor Augen führt, dass wir es letztlich selbst in der Hand haben, unser Leben so auszurichten, wie es uns gerade gefällt und das immer und zu jeder Zeit.
Letztlich sind also unsere Erfahrungen, Entscheidungen und unser eigenes Handeln, dass unser Leben prägt. In den seltensten Fällen ist es uns nicht möglich, selbst darauf Einfluss zu nehmen. In unserer heutigen Zeit leben wir ein selbstbestimmtes und -in unserer westlichen Welt – freies Leben, dass es uns ermöglicht, mit jeder unserer Entscheidungen stets zu entscheiden, wie wir handeln wollen, ob wir gut sind oder böse.
„Drifter“ von Ulrike Sterblich: Von der Herausforderung dieses Buch zu lesen
Als Leserin habe ich nach dem Lesen gewissermaßen einen inneren Konflikt mit dem Roman „Drifter“ von Ulrike Sterblich. Ich gehe davon aus, dass dieser Roman sicher nicht jeden Leser gleichermaßen anspricht. Insbesondere, wenn man, wie ich, nur selten Romane aus dem Fantasy-Genre liest, kann die unerwartete Entwicklung der Handlung und die Präsenz von Trickster-Figuren wie Ludovica Malabene eine Herausforderung darstellen. Die unvorhersehbaren Wendungen und die Spielerei mit Illusion und Wirklichkeit können zu einem inneren Zwiespalt führen, insbesondere wenn man es nicht gewohnt ist, sich intensiv mit philosophischen Aspekten auseinanderzusetzen.
Die Wertigkeit einer Freundschaft und die Konfrontation mit eigenen Entscheidungen machen diesen Roman zu etwas Besonderem, was möglicherweise nicht auf den ersten Blick für jeden Leser zugänglich ist. Die Vielschichtigkeit des Buches und die Möglichkeit, sich mit den Konsequenzen von Handlungen auseinanderzusetzen, können dazu führen, dass man als Leser oder Leserin über den eigentlichen Inhalt hinaus nachdenken muss. Dieser innere Konflikt, gepaart mit der eher untypischen Herangehensweise an das Fantasy-Genre, kann es schwierig machen, die Tiefe und Wertigkeit dieses Buches vollständig zu erfassen.
Insgesamt ist es von Bedeutung zu verstehen, dass „Drifter“ von Ulrike Sterblich sicherlich nicht für jeden Leser gleichermaßen geeignet ist und dass es völlig normal ist, als Leser oder Leserin mit einem solchen Werk, das Genregrenzen überschreitet und philosophische Elemente einbezieht, konfrontiert zu sein. Es ist jedoch eine Bereicherung, sich auf neue literarische Erfahrungen einzulassen, auch wenn dies manchmal eine gewisse Herausforderung darstellen kann.
Über die Autorin Ulrike Sterblich
„Ulrike Sterblich, Politologin und Autorin aus Berlin, lebt weiterhin in ihrer Heimatstadt, wo sie auch als Gastgeberin der Talk- und Lesebühne «Berlin Bunny Lectures» bekannt wurde. 2012 erschien ihr erfolgreiches Mauerstadt-Memoir «Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt», über das Wolfgang Herrndorf urteilte: «Zarter, liebevoller, staunender wurde selten eine Jugend, eine Stadt und beider Verschwinden beschrieben.» 2021 veröffentlichte Ulrike Sterblich ihr vielbeachtetes Debüt «The German Girl».“(Rowohlt Verlag)
Fazit zu „Drifter“ von Ulrike Sterblich
Nachdem ich „Drifter“ von Ulrike Sterblich gelesen habe, möchte ich meine Gedanken zu diesem Buch mit euch teilen. Anfangs war ich fasziniert von der modernen PR-Thematik, die mich zum Lesen motivierte. Doch die unerwarteten Wendungen und die Einführung der Trickster-Figur Ludovica Malabene haben meine Erwartungen übertroffen.
Die Beziehung zwischen den Freunden Wenzel und Killer wurde auf eine tiefgründige Weise dargestellt, die mich nachdenklich stimmte. Die subtile Veränderung der Charaktere im Verlauf der Handlung und die philosophischen Aspekte, die in die Geschichte eingewoben wurden, haben mir eine neue Perspektive eröffnet.
Besonders beeindruckt hat mich die Vielschichtigkeit des Romans und die Art und Weise, wie Ulrike Sterblich Illusion und Realität miteinander verwebt. Der innere Konflikt, den ich als Leserin beim Lesen empfand, hat mich dazu gebracht, über Freundschaft, Entscheidungen und die Relativität des Lebens nachzudenken.
„Drifter“ ist sicherlich kein Buch für jeden Leser, insbesondere wenn man nicht regelmäßig Fantasyromane liest. Doch die Herausforderung, sich auf die philosophischen Elemente einzulassen, lohnt sich. Ulrike Sterblichs Werk regt dazu an, über die eigenen Handlungen und deren Konsequenzen nachzudenken und eröffnet neue literarische Erfahrungen.
Insgesamt hat mich „Drifter“ von Ulrike Sterblich durch seine Tiefe und Wertigkeit beeindruckt und ich würde es Lesern empfehlen, die offen sind für literarische Werke, die Genregrenzen überschreiten und zum Nachdenken anregen. Es ist eine Bereicherung, sich auf die komplexe Welt dieses Romans einzulassen und die vielschichtigen Themen zu erkunden.
Ulrike Sterblichs Schreibstil und die Art, wie sie ihre Charaktere zum Leben erweckt, haben mich nachhaltig beeindruckt. Ich freue mich darauf, weitere Werke der Autorin zu entdecken und empfehle „Drifter“ allen, die bereit sind, sich auf eine literarische Reise voller Überraschungen und philosophischer Gedanken einzulassen.
Drifter
Auf "Drifter" von Ulrike Sterblich freute ich mich sehr, da die moderne PR-Thematik mein Interesse weckte. Dass dieses Buch ganz anders werden würde, als ich es erwartet hatte, konnte ich anfangs natürlich nicht wissen. Ebenso wenig, ob mir diese Variante gefiel.
URL: https://www.rowohlt.de/buch/ulrike-sterblich-drifter-9783498003265
Autor: Marie Lanfermann
Autor: Ulrike Sterblich
ISBN: 978-3-498-00326-5
Veröffentlichungsdatum: 2023-07-18
Format: https://schema.org/Hardcover
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Vorteile
- Faszinierende moderne PR-Thematik
- Unerwartete Wendungen in der Handlung
- Tiefgründige Darstellung der Freundschaft zwischen Wenzel und Killer
- Vielschichtige Charakterentwicklung
- Einführung der Trickser-Figur Ludovica Malabene
- Philosophische Gedanken über Freundschaft und Entscheidungen
- Verwebung von Illusion und Realität
- Herausforderung, sich auf komplexe Themen einzulassen
- Bereicherung durch neue literarische Erfahrungen
- Beeindruckender Schreibstil von Ulrike Sterblich
Nachteile
- Möglicherweise ungeeignet für Nicht-Fantasy-Leser
- Innere Konflikte beim Lesen aufgrund unerwarteter Elemente
- Schwierigkeit, die Tiefe und Wertigkeit des Buches vollständig zu erfassen