„Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler ist ein Roman, der sich mit einem gesellschaftlichen Thema beschäftigt, das für uns alle aufgrund des demographischen Wandels stets relevant ist.
Es geht darum, wie junge Menschen mit alten Menschen leben können und welche Unterschiede es zwischen dem Leben der jungen Menschen und der älteren Generation gibt. Da die beiden Leben nebeneinander gelebt werden, werden Unterschiede und Parallelitäten heraus gearbeitet.
„Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler: ein Roman zwischen den Generationen
„Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler ist dabei ein ganz besonderer Roman, denn sie hat mit Demmin einen realen Ort gefunden, der durch den Zweiten Weltkrieg viele Menschen verloren hat. Allerdings nicht durch den Krieg selbst, sondern durch einen Massensuizid 1945. Die Gräber sind für jeden, der auf den Friedhof geht, allgegenwärtig und die wenigsten Alten im Ort haben tatsächlich niemanden, den es zu beklagen gibt.
Wie Larry selbst, die das Grab ihres Bruders besucht, hat jeder eine Verbindung zu den Toten dort und auch wenn Larrys Bruder viele Jahre nach dem Massensuizid verunglückte, beschäftigen sie auch die anderen Gräber, das große Massengrab und „Die Gespenster von Demmin“.
Für Larissa, die lieber Larry genannt wird, ist es daher selbstverständlich, dass sie auf dem Friedhof im Ort aushilft. Ansonsten lebt sie nach außen hin ein ganz normales Leben, mit dem kleinen Problem, dass in ihrem Leben nichts so normal ist, wie es zunächst für alle scheint.
Ihr Vater hat die Familie vor Jahren verlassen und seitdem leben Larissa und ihre Mutter, die sie tatsächlich auch Larissa nennt, alleine in einem Bungalow mit Garten, der genau genommen mehr einer Wohnung als einem Haus entspricht. Doch mehr kann sich die Familie aktuell nicht erlauben. Larry selbst hegt den Traum Kriegsreporterin zu werden, wenn sie groß ist.
Ihre Freizeit widmet Larissa einem Projekt: Sie lässt sich kopfüber von einem Baum hängen und möchte damit einen Rekord aufstellen. Ihr persönlicher Rekord liegt bei 37 Minuten, doch das reicht nicht um tatsächlich rekordverdächtig zu sein, denn es gibt jemanden, der dieses kopfüber im Baum hängen ganze 60 Stunden ausgehalten hat.
Larry ahnt nicht, dass sie dabei von einer Frau, die das Nachbarhaus bewohnt beobachtet wird. Auch von der Geschichte der Frau und ihrem baldigen Umzug ins Seniorenheim ahnt die Jugendliche nichts.
„Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler: ein Miteinander und der Versuch miteinander ins Gespräch zu kommen
Meiner Ansicht nach wagt die Autorin in diesem Debütroman etwas, das schon viele vor ihr hätten versuchen können und das mir in dieser Form so noch nicht begegnet ist. Verena Kessler versucht, aufzuzeigen, welche Probleme zwischen jung und alt auftreten und auch, wie man diese Probleme durch den Austausch überbrücken könnte.
Mittels ihrer Protagonistin Larry wagt sie es eine Person darzustellen, die vor Leben strotzt. Ihre Nachbarin jedoch ist über 90 Jahre alt und fühlt sich nicht mehr so jung und energiegeladen, so mobil und voller Tatenkraft, wie dies früher einmal der Fall war. Sie ist allerdings noch durch die Kindheitserinnerungen an den Krieg und seine Folgen wachsam und stets alarmiert.
Wenn es diesen beiden doch sehr unterschiedlichen Protagonistinnen nun gelänge, miteinander ins Gespräch zu kommen und die Welt der anderen, die ja gleichzeitig die eigene ist, durch die Augen der anderen betrachten zu können, wäre dies eine Gratwanderung, die so viel mehr wäre, als der Blick über den eigenen Tellerrand.
Ob beide die Chance dieser Gelegenheit ergreifen und von ihr profitieren? Nun, diese Frage stellte ich mir als Leserin des Romans „Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler nicht nur zu Beginn des Buches, sondern auch im Verlauf dieses Romans.
Ebenso wie die Frage, ob die eigene Gegenwart und Zukunft durch die Vergangenheit anderer geprägt wird. Schließlich folgt Larry den „Gespenstern von einst“, denn „Die Gespenster von Demmin“ bestimmen nicht nur die Vergangenheit…
„Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler: mehr als nur eine Generationsfrage
Tatsächlich staunte ich bei diesem Roman von Verena Kessler doch sehr darüber, dass dieser gesellschaftskritische Roman sehr viel mehr infrage stellt, als nur das Miteinander zwischen den Generationen. Ich staunte darüber, wie wenig Austausch es heutzutage tatsächlich zwischen den Generationen zu geben scheint.
Dabei gibt es in der heutigen Zeit doch Projekte, wie die Mehrgenerationenhäuser, doch solche Projekte sind häufig zu neu zu wenig vorhanden, tatsächlich von einem Austausch für alle zu sprechen und doch präsentiert dieser Roman mehr als die Darstellung der Generationenfrage.
Vielmehr so, dass Verena Kessler auch die alleinerziehende Mutter von Larry mit einem durchaus kritischen Bild zeichnet und auch davon, dass Larry selbst eigentlich keine Vorstellung davon hat, was sich längere Zeit vor ihrer Geburt in ihrer Heimat zugetragen hat und dass es wichtig ist, der Geschichte der Heimat festzuhalten.
Aus diesem Grund kann man wohl von Glück sagen, dass Larry sich zumindest für die Toten interessiert, die sich auf dem Friedhof ihres Orts befinden, doch das hat weniger damit zu tun, dass sie sich für die Geschichten der Menschen interessiert, sondern viel eher damit, dass sie sich von diesem Interesse bessere Finanzen verspricht.
Ihr Interesse am Geld zeigt sich zum Beispiel auch gleich zu Beginn, als sie anstelle ihrer Mutter einkaufen gehen soll und sich neben dem was sie für das Einkaufen braucht auch gleich ein Trinkgeld aus dem Portmonee der Mutter stibitzt.
Warum es einfach scheint, „Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler zu lesen
Ein eindringlicher und direkter Einstieg macht es leicht, in die Geschichte einzusteigen und auch die Thematik, die dieser Roman anspricht oder besser gesagt die Zusammenstellung der einzelnen Themen, sind uns auch in unserem regulären Alltag allgegenwärtig.
Die Bevölkerung wird immer älter, ist auf Hilfe angewiesen und gleichzeitig gehen viele Geschichten von früher verloren, denn man kommt mit diesen Senioren eigentlich nur ins Gespräch, wenn man selbst einen Verwandten besucht oder ein Senior ist.
Ein Austausch, zwischen den Generationen ist eigentlich eher selten gegeben und wenn doch, dann wird sich meist nicht über frühere Zeiten unterhalten, sondern allzu oft über aktuelle Themen oder Probleme, die einer Lösung bedürfen.
Die Generationen sind nicht mehr miteinander verbunden. Das Miteinander, das einst existiert hat, ist so selten geworden, dass man schon fast von nicht mehr vorhanden reden muss. Aber gerade jetzt ist es durch den demographischen Wandel notwendig, miteinander ins Gespräch zu kommen, die Geschichten von einst wachzuhalten und an das Leben und die Probleme von eins zu erinnern.
„Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler: ein plakatives Zeigen und eine direkte Form der Erzählung
Wer sich mit dem Roman „Die Gespenster von Demmin“ beschäftigt, wird schnell merken, dass Verena Kessler nicht nur darum geht, auf ein Problem hinzuweisen, sondern auch darum, tatsächlich zum Nachdenken anzuregen. Tatsächlich ist nämlich auch dieser Roman kein Roman, der bloß unterhalten möchte.
„Die Gespenster von Demmin“ besitzt einerseits eine lebendige Handlung, andererseits aber auch eine gewisse Ruhe. Es handelt sich hierbei um einen Roman, der bei aller Ruhe und scheinbaren Zeitlosigkeit doch die gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit aufgreift. Doch ist das Thema des demographischen Wandels im Thema, das sich seit Generationen von Generation zu Generation zu verstärken scheint.
Die Sprache und Eindringlichkeit, in der Verena Kessler die Situation der Differenzierung zwischen Jung und Alt aufzeigt, ist gleichzeitig alltäglich und aufschreckend, ja sogar alarmierend.
Beide Protagonistinnen erhalten dabei Stimmen, die sich eigentlich an den Stimmen der Generation orientieren und gleichzeitig auch die Persönlichkeiten unterstreichen, die Verena Kessler mit ihrem Roman „Die Gespenster von Demmin“ gezeichnet hat.
Über die Autorin Verena Keßler
„Verena Keßler, geboren 1988 in Hamburg, lebt in Leipzig, wo sie am Deutschen Literaturinstitut studierte. 2018 nahm sie an der Romanwerkstatt Kölner Schmiede teil, 2019 an der Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung. Sie war Stipendiatin des 23. Klagenfurter Literaturkurses.“ (Hanser)
Fazit zu „Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler
„Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler ist ein Roman, der einen Abgrund eines sehr lebendigen und lebhaften Einstiegs direkt in die Geschichte hineinkatapultiert. Gleichzeitig ist es ein Roman, der aufgrund seines leichten Einstiegs den Einstieg in ein komplexeres und vielschichtiges Thema ermöglicht.
Da Verena Kessler es ihren Lesern aber leicht macht, der Geschichte zu folgen, ist es schon ein Roman, für dessen Thema, Generationen und Generationsgerechtigkeit man sich interessieren sollte, wenn man zu diesem Roman greift.
Aus diesem Grund ist dieser Roman auch wieder eher etwas für ältere Leserinnen und Leser, oder für jüngere, die sich kritisch mit diesem Thema beschäftigen möchten.
Die Gespenster von Demmin
"Die Gespenster von Demmin" von Verena Kessler ist ein Roman, der sich mit einem gesellschaftlichen Thema beschäftigt, das für uns alle aufgrund des demographischen Wandels stets relevant ist.
URL: https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/die-gespenster-von-demmin/978-3-446-26784-8/
Autor: Verena Kessler
Autor: Verena Kessler
ISBN: 978-3-446-26784-8
Veröffentlichungsdatum: 2020-08-17
Format: https://schema.org/Hardcover
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