„Die Heilerin von San Marco“ von Marina Fiorato war ein Buch, dass ich unbedingt lesen wollte, nur um dann letztendlich feststellen zu müssen, dass es nicht ganz meinen Erwartungen entsprach. Von einem historischen Roman wünsche ich mir eine gewisse Raffinesse, was Hintergründe angeht. Die lag auch vor und hat eigentlich ein schönes Abbild von Zeit un Ort gezeichnet. Soweit so schön. Das gefiel mir sogar recht gut. Zwei Aspekte, die für mich darüberhinaus zu einem guten historischen Roman dazu gehören, kamen mir jedoch zu kurz.
„Die Heilerin von San Marco“: lediglich eine starke Protagonistin
Ja, es gab auch eine starke Protagonistin. Womit wir schon eines der beiden Probleme angesprochen hätten. Denn obwohl es eine vergleichsweise starke Protagonistn gab, blieben die Figuren in „Die Heilerin von San Marco“ nicht ausgereift, unscharf und irgendwie abstrakt.
Dies erwies sich auch im Verlauf der Handlung als Schwäche. Obwohl es eine Bewegung im Buch gibt, vermisse ich eine gewisse Tiefe sowie das Gefühl von Abenteuer, welches bei anderen historischen Romanen eigentlich nie zu kurz kam.
Was ich erwarte ist nicht etwa ein Abenteuerroman, sondern lediglich das auf die Gefahren der damaligen Zeit eingegangen wird. Natürlich wird bei einem Roman über die Pest auch über die Pest gesprochen. Dies jedoch ist nicht die Art von Abenteuer, die ich meine, denn auch eine Überfahrt von Konstantionpel nach Venedig dürfte damals mit einigen Gefahren verbunden gewesen sein.
Ja, natürlich gab es die Szenen, in denen Feyra an Bord des Schiffes in Gefahr gerät. Diese Gefahr jedoch blieb recht abstrakt. Die eigentliche Überfahrt verlief vergleichsweise ruhig. Sie ließ sich schon fast mit einer Kreuzfahrt vergleichen. Natürlich gab es hier kein Frühstück in der Koje etc., aber die Atmosphäre war entspannt. Trotz Pest, die von Anfang an mit an Bord war, blieb die Stimmung der Handlung entspannt. Das Gefühl von Risiko, Anspannung, Gefahr und Trauer kam bei mir als Leser nur bedingt an.
Die unnahbaren Protagonisten
Ich habe lange überlegt, warum dieses Gefühl, welches die angerissene Handlung auslöst, bei mir als Leser nicht ankommt und muss sagen, ich habe eine Vermutung.
„1576. In Venedig bricht die Pest aus. Der Doge befürchtet, dass Gott die Venezianer für ihr dekadentes Leben bestraft und sieht nur einen Ausweg: Er lässt eine Kirche bauen, die größer als alle ist, die es je gegeben hat. Er ahnt aber nicht, dass der Schwarze Tod an Bord eines Schiffes aus Konstantinopel kam – und dass die junge Heilerin Feyra die Einzige ist, die die Lagunenstadt retten kann. Dafür benötigt sie die Hilfe von Annibale Carson, dem berüchtigten Pestarzt. Doch hinter seiner furchteinflößenden Maske verbirgt sich ein Mann, der Feyra vor ihre größte Herausforderung stellt …“ (Klappentext)
Das Problem geht auf die Protagonisten zurück, denn diese bleiben für die Dauer des gesamten Romans irgendwie unnahbar. Persönlich bevorzuge ich historische Romane in der dritten Person, so wie dieser auch geschrieben wurde, denn die allermeisten historischen Epos biten mit ihren Erzählungen in der dritten Person auch immer noch eine Art Innenansicht der wichtigsten Figuren. Auch in „Die Heilerin von San Marco“ wurde so etwas versucht, aber es gibt zahlreiche Romane, die etwas zeigen anstelle es nur zu erzählen.
Solche Romane erreichen mich als Leser oft genug einfach besser, da ich selbst in diesem Fall mit in den Roman hineingezogen werde. Bei mir schaltet sich dann eine Art Kopfkino ein und ich erlebe die Geschichten so als wäre ich selbst ein zuschauender Protagonist. Das ging hier jedoch nicht. Schade!
„Die Heilerin von San Marco“: Stilistisch ein hochwertiger Roman?
Stilistisch mag „Die Heilerin von San Marco“ durchaus anspruchsvoll sein, denn wir lernen tatsächlich etwas über die Zeit in der dieser Roman spielt. Gleichzeitig jedoch gelingt es „Die Heilerin von San Marco“ nicht, mich tiefer gehend zu erreichen. Jene Ebene, die ich gerade schon mithilfe der Unnahbarkeit der Protagonisten ausdrückte, könnte man als stilistische Unsauberkeit betrachten, ich glaube jedoch nicht, dass es tatsächlich eine stilistische Unsauberkeit des Romans ist.
Vielmehr glaube ich, dass es „Die Heilerin von San Marco“ gut getan hätte, die Handlung zu vertiefen, sie weiter auszuführen und mit liebevollen Details nicht nur über die Zeit und Orte, sondern eben auch über die Handlung voran zu bringen.
Was ich erwarte, ist nicht etwa die gefühlsduselige Protagonistin, den künstlich wirkenden Protagonisten, der an der Seite seiner starken Gefährtin zusammenbricht, ich erwarte lediglich Figuren, die dreidimensional und dadurch nicht unbedingt berechenbar sind, denn das macht für mich einen guten Roman aus. Figuren, die immer ein wenig anders agieren, als der Leser es gemeinhin erwartet.
Sprachlich kann ich der Autorin eine gewisse Tiefe durchaus unterstellen, denn die Sprache ist weder hart noch undeutlich. Das Buch als solches lässt sich gut lesen, zieht den Leser jedoch leider nicht so ganz in seinen Bann. Ich bin mir nicht ganz sicher, woher dieses Gefühl kommt, für mich jedoch ist dieses Buch eher ein Porträt von Ort und Zeit, denn ein echter Roman.
Fazit
Ob ich für diesen Roman eine echte Empfehlung aussprechen kann, möchte ich nicht mit Gewissheit sagen, denn dieser Roman bleibt nicht allzu lange im Gedächtnis, alles was bleibt ist das Gefühl: „Ja, es war ganz nett!“ Worum es geht, ich würde mich nicht darauf festlegen wollen, ob ich es im nächsten Jahr noch beantworten könnte, denn ein Roman, der mich als Leser so wenig mitnimmt, der gerät schnell in Vergessenheit.
Dennoch gibt es sicher einige Leser, die ein Freund von Venedig sind und die das Buch genau deshalb zu schätzen wissen, weil es eben eine Menge über Venedig und seine Historie erzählt. Für mich persönlich mag auch das ein Grund sein, dieses Buch zu lesen, dennoch würde ich es nicht unbedingt jedem Leser empfehlen, der einen guten historischen Schmöker sucht.
Die Autorin Marina Fiorato
Ich persönlich kannte die Autorin bis zu diesem Buch noch gar nicht, deshalb kann ich nicht wissen, ob sie jedem von euch ein Begriff ist. Aus diesem Grund stell ich sie euch kurz vor:
„Marina Fiorato studierte Geschichte, Kunst und Literatur in Oxford und Venedig. Sie arbeitete als Illustratorin, Schauspielerin und Filmkritikerin. Mit ihren Bestsellern Die Glasbläserin von Murano und Das Geheimnis des Frühlings begeisterte sie die Leser auch in Deutschland. Sie heiratete ihren Mann, einen englischen Filmregisseur, auf dem Canal Grande und lebt mit ihrer Familie im Norden von London.“