„Die Harzreise“ von Heinrich Heine gehört ebenso zu den Klassikern wie es auch ein Reisebericht ist. Es erzählt die Reise des jungen Heinrich Heine im Jahre 1824. Heine war zu diesem Zeitpunkt Student an der Universität Göttingen. Als solcher begibt sich Heine während eines Verweises in Folge eines Duells auf eine Wanderung, die einen Monat dauern sollte.
Seine Eindrücke und Erlebnisse erzählt er im Rahmen dieser Reisebeschreibung. Sein Weg führt ihn von Göttingen über den Brocken bis nach Ilsenburg. Diese Reise steht jedoch im abstrakten Gegensatz zu dem Temperament des Reisenden. Die Gegend, der mächtige, alte Harz, wirkt karg und über weite Strecken recht verlassen. Er ist alt, ruhig und beständig. Noch heute besuchen ihn die Menschen gerne, um Ruhe und Entspannung zu finden. Der Dichter dagegen war damals noch jung, hitzköpfig und rebellisch gestimmt.
„Die Harzreise“ von Heinrich Heine: Kein Reisetagebuch
Die Gestaltung dieser Erzählung erinnert dabei jedoch nicht unbedingt an ein Reisetagebuch, sondern viel eher an eine Reihe von szenischen Bildern, die während der Reise entstanden sind, welche ihm zwei Jahre später immer noch im Gedächtnis waren und durch den Kopf gingen und, die er dann zu Papier brachte. Wen wundert es also, dass „Die Harzreise“ heute als Teil der Sammlung „Reisebilder“ gilt. Sie gehört zu Heines erzählenden Werken.
Der 27 -jährige Heine schien bei dem Vorhaben die Idee zu verfolgen, diese Reise zur Selbstfindung zu nutzen. Nach dem Verweis befand er, der Jude, der sich in Deutschland nicht willkommen fühlte, in einer existenziellen Krise. Die Suche nach seinem eigenen Antrieb konnte nicht länger warten.
Begegnungen
Heinrich Heine begegnet zahlreichen Menschen, die ihn für eine begrenzte Zeit auf seinem Weg begleiten. Auf diese Weise ähnelt diese Reise den heutigen Pilgerfahrten nach Santiago de Compostella. Im Vergleich zu Reiseberichten dieser Pilgerfahrten beschreibt Heine aber eher die Landschaften und Naturverläufe, als dass er ernsthaft nach Innen reflektiert.
Trotzdem oder gerade deshalb erleben wir als Leser beziehungsweise hier Hörer dieses Reiseberichts seine Wandlung hautnah mit. Unterschwellig stellt er diese Veränderung auch in diesem 2 Stunden 16 Minuten langen Hörspiel heraus. Es bleibt jedoch offen, ob er selbst die Veränderung bewusst als solche während der Reise erlebte oder ob diese Veränderung erst im Nachhinein bemerkte.
Reflektion der gesellschaftlichen Konventionen
Ob Heinrich Heines Veränderungen nun auf seiner Reflektion der gesellschaftlichen Konventionen basierte, lässt sich alleine mit diesem Werk nicht begründet nachvollziehen. Allerdings dürfte diese Wanderung ihn zu einem persönlichen Wachstum geführt haben, der ihn dazu motivierte, seine Situation in der Gesellschaft zu überdenken.
Zum Teil wirken die Beschreibungen in der Harzreise sehr scharfzüngig und spitzfindig. Dieses ist auch eine Auffälligkeit innerhalb seines Schreibstils, mit dem er oft aneckte, da er scharfe Kritik übte und und einige Persönlichkeiten und Zustände der Lächerlichkeit preisgab.
Konvertierte Heine wenig später aus Karrieregründen zum Christentum? Seine individuellen Beweggründe lassen sich von außen nur erahnen. Da er im Judentum nicht verwurzelt war und ihm diese religiöse Zugehörigkeit einige Wege verbaute, ist es aber eine wahrscheinliche Erklärung. Auch startete er kurze Zeit nach dieser Reise seine Karriere als Schriftsteller.
„Die Harzreise“ von Heinrich Heine: Stil
„Sein Werk ist vielfältig: Er verfasste neben Lyrik und Prosa auch polemische Streitschriften. Epochenübergreifend vereinte Heine romantische Tendenzen mit revolutionären Ideen des Vormärz und der Aufklärung. Heine starb 1856 in Paris.“ (Der Audio Verlag)
Diese Erzählung als Klassiker zu betrachten, fällt leicht. Auch ist es keine schwere Entscheidung, diese biografische Erzählung in das Genre des Reiseberichts einzuordnen. Dann jedoch wird es schwieriger, denn Heine bedient sich der Satire und häufig auch einer gewissen Ironie. Gleichzeitig dürfte diese Erzählung für Menschen mit Ortskenntnis besonders lesenswert sein. Denn auf diese Weise wird so manche Satire erst offensichtlich.
Die Szene rund um das „Hotel de Brühbach“ wird erst humorvoll, wenn man weiß, dass es sich hierbei um den Spitznamen des Studentengefängnisses von Göttingen handelt. Gleichzeitig hilft diese lokale Form der Satire dabei, die eigentliche Gesellschaftskritik aufzuheitern.
Die Ironie zeigt sich dabei ebenfalls erstmals auf den Anfangsseiten. So ist das, was Heine sagt etwas anderes als das, was er sagen würde, dürfte er frei reden. „Innig rührt es mich jedesmal, wenn ich sehe, wie sich dieses Gefühl der Untertanstreue in seinen einfachen Naturlauten ausspricht.“ (im 5. Kapitel) Dieses Zitat zeigt aufgrund seiner Übertreibung die Ironie an. Dies zieht den Wahrheitsgehalt der Aussage auch für heutige Leser in Zweifel.
Die zahlreiche Verwendung literarischer Stilmittel ist in dieser Erzählung ebenfalls auffällig, denn diese begünstigt nicht nur den Lesefluss, sondern tarnt auch die tatsächliche Absicht der Gesellschaftskritik. Interessant dürfte neben vielen anderen Aspekten dabei die Synästhesie sein. Diese schafft es nämlich den eigentlichen Reisebericht auch tatsächlich als einen solchen zu präsentieren. Heine spielt hierbei mit metaphorischen Ausdrücken, die mehrere Sinne miteinander verknüpfen.
Er spielt dabei aber nicht nur mit literarischen Stilmitteln, die man in jedem heutigen Roman finden würde, sondern verknüpft auch ungewöhnliche Stilmitteln in diesem augenscheinlichen Reisebericht. So erzielt er die Übertreibungen häufig durch Verwendung einer Litotes, also der Verneinung eines Ausdrucks, der nicht mehr steigerbar.
Auf diese Weise werden auch hier die wahren Absichten ein wenig abgeschwächt. Ein kleiner Teil der Anspielung bleiben dem heutigen Leser oder Hörer ohne einen erklärenden Anhang verborgen, da ansonsten die zeitgenössischen Bezüge verloren gingen. Tatsächlich lässt sich diese Geschichte wohl am ehesten einordnen, wenn man sich die Zeit nimmt und sie Kapitel für Kapitel auf ihre wahre Absicht überprüft. Augenscheinlich mag Heinrich Heines Reisebericht genau das sein, eine wunderbare Erzählung über den schönen, etwas kargen Harz.
Hintergründig jedoch mit der Kritik am politischen Umfeld, was schließlich wohl auch dazu geführt haben dürfte, dass er seinen Wohnort dauerhaft von Berlin nach Paris verlegte. Hier fühlte sich der ehemalige Jude und spätere Christ offenbar wohler, da er hier nicht politisch verfolgt wurde. Dennoch bleibt es zweifelhaft, ob er jemals seine echte Identität gefunden hat und frei von gesellschaftlichen Zwängen leben konnte.
Heinrich Heines Harzreise: eine Frage der Identitätsfindung
Wer „Die Harzreise“ von Heinrich Heine mit voller Aufmerksamkeit liest oder die Geschichte, wie ich es getan habe, hört, kann und muss davon ausgehen, dass Heinrich Heine sich in seiner Situation zwar arrangiert aber nicht abgefunden hat. Von einer Art sich wohl zu fühlen zu sprechen, wäre weit hergeholt, denn nach dem Hören dieser kurzweiligen Lektüre erkannte ich, dass es für ihn schwer gewesen sein dürfte, seinen Platz zu finden.
1826 begab sich Heinrich Heine auf eine Reise durch den Harz. Für Heine ging es bei dieser Reise um mehr als nur um die Sehenswürdigkeiten. Es ging darum, seine Identität zu finden.
Heine wurde in Deutschland als Sohn jüdischer Eltern geboren. Sein Vater wollte, dass er zum Christentum konvertierte, aber Heine lehnte ab. Dies führte zu einem angespannten Verhältnis zwischen Vater und Sohn. Heine fühlte sich im eigenen Land als Außenseiter.
Die Reise durch den Harz half Heine, etwas Ruhe zu finden. Er konnte sich mit der Natur verbinden und sich in der Welt zu Hause fühlen. Die Erfahrung half ihm auch, sich selbst besser zu verstehen. Heine erkannte, dass er sich nicht zwischen seiner jüdischen und seiner deutschen Identität entscheiden musste – er konnte beides sein.
Heute gilt Heinrich Heine als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller aller Zeiten.
Über den Autor Heinrich Heine
„Geboren am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf als Sohn des jüdischen Schnittwarenhändlers Samson Heine. 1810-1814 Lyzeum Düsseldorf. 1815 kaufmännischer Lehrling in Frankfurt/Main. 1816 im Bankhaus seines vermögenden Onkels in Hamburg. Mit Unterstützung des Onkels Jurastudium in Bonn. 1820 nach Göttingen, relegiert wegen eines Duellvergehens. 1821-1823 Studium in Berlin. 1831 Reise nach Paris zum endgültigen Aufenthalt. 1835 Verbot seiner Schriften in Deutschland. Heine starb am 17. Februar 1856 in Paris.“(Gutenberg-Projekt)
Über den Sprecher Horst H. Vollmer
„Der Regisseur Horst H. Vollmer liest Heines „Harzreise“ in einer Produktion des Hessischen Rundfunks. […] Horst H. Vollmer gelingt es in seiner Lesung der „Harzreise“ vortrefflich, den bissigen Ton des jungen Autors zu treffen und den Witz der Ausführungen hervor zu kitzeln.“ (Der Audio Verlag)
Tatsächlich hilft die Stimme von Horst H. Vollmer beim Verständnis von „Die Harzreise“ von Heinrich Heine. Gleichzeitig jedoch muss davon ausgegangen werden, dass der Sprecher selbst das Buch mehr als einmal vorher gelesen hat, denn seine eigene Lesart betont genau diese zynische, satirische und ironische Art, wie Heine über seine Reise und seinen Universitätsbesuch an der Universität zu Göttingen berichtet. Wer diese Geschichte ohne die Kenntnisse, um den Stil und seine stilistischen Mittel liest, könnte diese Erzählung jedoch tatsächlich für einen reinen Reisebericht halten.
Fazit zu „Die Harzreise“ von Heinrich Heine
Dieser Klassiker ist eine Erzählung mit vielen Fallstricken, denn auch wenn „Die Harzreise“ zunächst als ein klassischer Reisebericht erscheint, ist es dies bei genauerer Betrachtung nur bedingt.
Vielmehr tritt bei konkreter Analyse dessen, was Heine erlebte, eine Gesellschaftskritik zutage, die man beim ersten Lese- oder Hörvergnügen vielleicht nicht erwartet. Genau diese Elemente machen dieses Werk aber auch so kunstvoll. Heinrich Heine hat den Reisebericht als eine Kunstform unter den Stilmitteln in der Erzählung etabliert.