„Letzte Klappe am Comer See“ von Clara Bernardi ist der zweite Teil der Giulia Cesare-Reihe. Auf diese Fortsetzung habe ich mich schon gefreut, seit ich im vergangenen Jahr mit „Requiem am Comer See“ den ersten Teil dieser Reihe las.
Im Vergleich zum ersten Teil dieser Reihe „Requiem am Comer See“ ist die Fortsetzung jedoch weit weniger Urlaubskrimi, als von mir erwartet. Das Flair ist dieses Mal einfach ein anderes. Es ist dabei nicht so, dass Commissario Giulia Cesare dieses Mal weniger spannend wäre, allerdings hat man den Eindruck, dass die ermittelnde Person dieses Mal weniger im Ort herum kommt.
Stattdessen steht Giulia Cesare dieses Mal vor der Herausforderung den Mord an einem Filmset aufzuklären und das ganze erinnert in gewisser Weise ein ein Kammerspiel. Dabei trifft sie nicht nur freundliche Zeitgenossen, sondern auch so manchen schrägen Vogel. Ja, man müsste sogar sagen, dass es eine echte Diva gibt.
„Letzte Klappe am Comer See“: ein Fall und der Blick hinter die Kulissen
Das ganze Dorf, in dem Giulia Cesare und ihr Mann leben, ist in heller Aufregung. Schließlich ist nicht jeden Tag eine Filmcrew zu Gast in einem ortsansässigen Hotel. Gedreht werden soll ein Lebensabschnitt aus der Liszt Biografie. Als Statisten werden sogar Giulias bester Freund Brutus mit, der eigentlich Postbote ist und ihr Vater, der immer von der großen Karriere als Schauspieler träumte.
Diese beiden sind letztendlich auch der Grund dafür, warum Giulia Cesare in der ersten Szene bereits am Set ist, noch bevor der Mord passiert. Auf diese Weise bekommen wir als Leserinnen und Leser einen ersten Eindruck über die Mitwirkenden dieses Films vor dem eigentlichen Mord.
Normalerweise stehe ich einer solchen Herangehensweise skeptisch gegenüber, aber tatsächlich sorgte dieser Einstieg dafür, dass die Geschichte schnell Fahrt aufnahm und eine gewisse Sogwirkung entfaltete.
Eine Diva sorgte allerdings auch gleich dafür, dass ich mich als Leserin dieser Geschichte schnell ein wenig genervt fühlte. Trotzdem hatte dieses Buch mich schnell in seinen Bann gezogen und so vermutete ich bereits, dass sich diese Geschichte in einem Rutsch lesen lassen würde.
Zu einem klassischen Pageturner wurde „Letzte Klappe am Comer See“ von Clara Bernardi dann aber irgendwie doch nicht. Stattdessen erscheint dieses Buch eher als ein Kriminalroman, den man langsam genießen muss, ähnlich wie die klassische Musik des Komponisten Franz Liszt.
„Letzte Klappe am Comer See“: ein ungewöhnlicher Mord und viele Verdächtige
Als am nächsten Tag der Schauspieler, der den Franz Liszt mimen sollte, tot aufgefunden wird, ist für Giulia Cesare das Chaos perfekt, denn die letzte Klappe am Comer See ist noch lange nicht gefallen. Dafür fehlt aber nun der wichtigste Schauspieler des Films um Franz Liszt.
Tot aufgeVon Clara Bernardi von Clara Bernardifunden wurde ausgerechnet im Kleiderschrank. Mit nichts anderem verkleidet, als mit einer Unterhose, hergestellt ausgerechnet vom schärfsten Konkurrenten der väterlichen Modefabrik. Der Tod des jungen Mannes gibt Giulia Cesare und ihrem Team echte Rätsel auf, denn bei genauerer Betrachtung hat fast jeder ein Motiv.
Als die Regisseurin und Produzentin am nächsten Tag dann auch gleich eine bislang unbekannte Zweitbesetzung für die Rolle des Franz Liszt präsentiert, scheint das Chaos noch ein wenig größer zu werden, denn ausgerechnet die Schauspielerin, die die weibliche Hauptrolle verkörpert, benimmt sich mehr als verdächtig.
An dieser Stelle werde ich Euch natürlich noch nicht verraten, was es mit all dem auf sich hat, aber natürlich kann ich Euch bestätigen, dass dieses Buch keinesfalls langweilig wurde, auch wenn mich manch ein divenhaftes Verhalten doch ein wenig perplex zurückließ.
„Letzte Klappe am Comer See“: vielschichtige Charaktere, großes Gefühl und italienische Kulisse
Weiter oben habe ich diesen Kriminalroman bereits als keinen typischen Urlaubsroman bezeichnet und tatsächlich ist er das auch nicht, auch wenn man sagen muss, dass es eine deutliche Spur italienischer Kultur und Tradition gibt. Dies zeigt sich vor allem in den Szenen, in denen es um gutes Essen geht.
Im Vergleich zum ersten Fall ist dieser zweite jedoch aufgrund der neuen Nebenfiguren ein wenig anders und irgendwo auch speziell. Tatsächlich habe ich sogar den Eindruck, dass es Clara Bernardi bei diesem Krimi darum ging, einige Klischees aufzugreifen und so wiederum einige echte Diven zu schaffen.
Bei mir ist die dieses Gefühl einer echten Diva zu begegnen auf jeden Fall gut gelungen, denn bei einigen der weiblichen Figuren stellte ich schnell fest, dass sie klischeehaft erschienen und mit der Zeit ein wenig aufdringlich.
Dabei erschienen die Figuren aber keinesfalls überzeichnet, sondern waren gerade so, dass man sagen konnte, dass sie nervten. Besonders prädestiniert hierfür war natürlich Aurora Damiani. Sie vermittelte stets das Gefühl, dass sie eine Diva sei und eigentlich nur im Mittelpunkt stehen wollte.
Die zweite Diva in der Geschichte wird erst im Verlauf der Zeit offensichtlicher, denn die weibliche Hauptrolle, die für den Franz Liszt Film besetzt wurde, hat nicht unbedingt nur die Idee, einen guten Job zu machen.
Stark an den Charakteren ist auf jeden Fall, dass sie alle in gewisser Weise eine Vorgeschichte besitzen, die sich erst im Verlauf des Kriminalromans „Letzte Klappe am Comer See“ von Clara Bernardi offenbart.
Mir persönlich gefällt diese Tatsache ausgesprochen gut, gleichzeitig sorgt diese Vielschichtigkeit der Charaktere, die durch die Vorgeschichte entsteht aber auch für so viel Tiefgang, dass man eine ganze Weile braucht, um in die Geschichte hineinzukommen, die in der jeder einzelne Nebenfigur steckt.
„Letzte Klappe am Comer See“: eine Geschichte mit Tiefgang
Die einzelnen Hintergrundgeschichten zu den Nebenfiguren tragen natürlich dazu bei, dass dieser Kriminalroman mehr Tiefe bekommt und man sich vielleicht auch selbst ein wenig Gedanken darüber machen kann, warum sich die Figuren so verhalten, wie sie sich verhalten.
Hier merkt man, dass Clara Bernardi, hinter der Julia Bruns steckt, selbst Psychologie studiert hat. Es gelingt ihr dadurch, jeder einzelnen Figur noch ein wenig mehr Schärfe zu verpassen und ihr Temperament gleichzeitig herauszuarbeiten.
Ja, einige Figuren erscheinen dicht am Rand eines Klischees und doch gibt es für ihre diversen Handlungen sicherlich auch die ein oder andere Erklärung.
Dieser Roman ist jedoch trotz dieser Tiefe nicht unbedingt das, was ich als einen klassischen Pageturner bezeichnen würde, denn bei einem Pageturner ist es so, dass das Buch einen so großen Sog entwickelt, dass man nur noch wissen möchte wie es weitergeht. Spannung ist bei einem Pageturner natürlich garantiert, doch hier kommt noch etwas anderes hinzu.
„Letzte Klappe am Comer See“ von Clara Bernardi ist nämlich nicht unbedingt nur durch Spannung geprägt, sondern auch von einer großen Empathie gegenüber jeder einzelnen Figur, sodass man mehr oder weniger dazu gezwungen ist, das Buch nach jedem Kapitel einmal aus der Hand zu legen und darüber nachzudenken oder zumindest nachzusinnen, was genau wir eigentlich in den vergangenen Kapitel Neues erfahren haben und wie das alles zusammen gehört.
Diese Tiefe macht „Letzte Klappe am Comer See“ mit Sicherheit nicht unbedingt zu einem Buch, dass man innerhalb von wenigen Stunden an einem See oder auf dem Balkon liegend lesen möchte, sondern eher zu einem Buch, das einen obwohl es nur knapp 300 Seiten hat über einige Tage begleitet.
„Letzte Klappe am Comer See“ von Clara Bernardi: Interesse an Franz Liszt steigert den Genuss
Ein weiterer Aspekt, der gegebenenfalls dazu führt, dass man dieses Buch hin und wieder aus der Hand legt, könnte sein, dass man sich ein wenig intensiver mit der Musik von Franz Liszt beschäftigen möchte. Zwar ist dies keine Grundvoraussetzung, um diesen Krimi zu verstehen, aber es schadet auch nicht, wenn man sich einmal oder auch öfter mit der Musik des bekannten Komponisten beschäftigt.
Denn obwohl der Film über Franz Liszt nur die Rahmenhandlung für diesen Kriminalroman stellt, bietet es sich an, ab und an einfach einmal ein wenig in die Musik hinein zuhören. Auch und vielleicht auch gerade deshalb, weil man gleich das Gefühl hat, mit am Spielort der Geschichte zu sein.
„Letzte Klappe am Comer See“: stilistisch und atmosphärisch dicht
Da Clara Bernardi ihre gesamte Stilistik wiederum auf das italienische Ambiente abstimmt, erzeugt sie schon alleine durch diesen Umstand eine gewisse atmosphärische Dichte. Gleichzeitig verleiht sie jeder einzelnen Figur mit ihrer Ausdrucksweise noch ein wenig mehr Ausdruck.
Die Damiani empfinde ich beispielsweise insbesondere aufgrund ihrer Attitüde als eine Diva. Diese Attitüde wird aber insbesondere durch die Stilistik der Autorin noch einmal verstärkt.
Mitleid mit dem Toten bekommt man nicht nur deshalb, weil er tot ist, sondern auch weil man durch ihn auf tragische Familienumstände stößt, die durch den Ausdruck von Vater und Großmutter noch einmal besonders hervorgehoben werden.
Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, dass diese ungewöhnliche Stilistik noch einmal die einzelnen Charaktere stärker herausarbeitet und irgendwo auch betont. Somit ist dieses Buch nicht unbedingt ein leichtes Buch, da es vielschichtige Aspekte dieses Krimis zunächst verbirgt, dann aber nach und nach freigibt und sich dem Leser offenbart.
Bei den Hauptfiguren, die ich schon aus dem vorangegangenen „Requiem am Comer See“ kenne, weiß ich, dass jeder einzelne von ihnen ihren ganz eigenen Ausdruck haben und erkenne sie schon, sobald sie eine Szene auch nur betreten.
Über die Autorin Clara Bernardi
„Clara Bernardi ist das Pseudonym der Autorin Julia Bruns, die bereits einige Regionalkrimis veröffentlichte. Julia Bruns studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie. Nach ihrer Promotion arbeitete sie viele Jahre als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Thüringen. Der Comer See ist für sie seit vielen Jahren der ideale Rückzugsort.“(Dumont Verlag)
Fazit zu „Letzte Klappe am Comer See“ von Clara Bernardi
Es fällt mir schwer, „Letzte Klappe am Comer See“ von Clara Bernardi nicht als Urlaubskrimi zu betrachten, obwohl er aufgrund seines Spielorts charakteristisch dafür erscheint. Dabei kann man ihn bestimmt gut in einem Urlaub lesen, und dennoch enthält der vorliegende Krimi relativ wenig typische Charakteristika für einen Urlaubskrimi.
Zum einen ist Giulia Cesare selbst keine Touristin, sondern am Comer See beheimatet. Zum anderen lassen sich die Orte, die in diesem Kriminalroman eine Rolle spielen, zwar vom Leser während eines Urlaubs besuchen, sind aber dennoch keine klassischen Touristenorte.
Ergänzend ist anzumerken, dass das typisch italienische Flair zwar zu einem Urlaubsgefühl beiträgt, aber gleichzeitig ist es möglich, dieses Buch auch unabhängig von einem Urlaub zu lesen.
Aus diesem Grund bezeichne ich „Letzte Klappe am Comer See“ nicht als einen Urlaubskrimi. Denn tatsächlich passt er in diese Zeit, er sorgt dafür, dass man das Gefühl eine Auszeit genießen kann, ohne gleich in übertriebenes Fernweh entführt zu werden.
„Letzte Klappe am Comer See“ von Clara Bernardi spannend, tiefgründig und sicherlich auch lesenswert, es ist ein vergleichsweise langsames Buch, das dazu einlädt, innezuhalten und einen Moment zu verweilen.
Es ist kein Pageturner, der dazu einlädt nur so durch die Seiten zu kriegen, sondern eher der Hochgenuss eines klassischen Konzerts, der nach einer Fortsetzung verlangt.
Für wen wurde „Letzte Klappe am Comer See“ geschrieben?
Meiner Meinung nach richtet sich „Letzte Klappe am Comer See“ vor allem an Leserinnen und Leser, die einen unblutigen, spannenden und langsamen Krimi bevorzugen. Somit würde ich sagen, dass man auch einen gewisses Interesse für das Thema voraussetzen sollte. Franz Liszt ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber gleichzeitig vom Unterhaltungswert innerhalb dieses Buches Genuss steigern.
„Letzte Klappe am Comer See“ von Clara Bernardi setzt die Reihe somit gekonnt fort und ich freue mich auch schon auf eine neuerliche Fortsetzung.
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