„Riskante Rezepte“ von Birand Bingül ist der zweite Fall für PR-Agent Mats Holm. Nach dem Ableben eines Richters während dessen Restaurantbesuch ruft die Managerin der Köchin Mats und seine Partnerin Laura May zur Unterstützung der eigenen PR-Maßnahmen, denn die Kriminalpolizei im Haus zu haben, ist selten eine gute Publicity. Natürlich nehmen die beiden PR-Profis den Fall an, nicht wissend, in was für ein Chaos sie hier eigentlich hineinstürzen, denn auf den ersten Blick wirkt hier alles gut organisiert und Mats erwartet ein leichtes Spiel.
Es ist ein Spiel, das keinesfalls leicht ist und eigene Recherchen unabdingbar macht, ist das, was er letztlich serviert bekommt. Denn hier trügt nicht nur der Schein des gut organisierten Restaurantbetriebs. Der Fall birgt einige Geheimnisse, die niemals öffentlich werden sollten.
„Riskante Rezepte – Ein Fall für Mats Holm“ von Birand Bingül: Neuer Fall, neuer Vorgang?
Wer den ersten Teil dieser Reihe bereits gelesen hat, der ahnt, dass Mats Holm im ersten Buch eher als reserviert, sachlich und analytisch präsentiert wurde. Jetzt im zweiten Buch verändert sich das alles ein wenig, denn zum einen fordert der Fall, dass er selbst emotional handelt und reagiert, zum anderen tragen aber auch die Ereignisse in seinem Privatleben dazu bei, dass er in diesem Fall viel näher an seine Gegenspieler herantritt.
Kann man an dieser Stelle nun von einer veränderten Sachlage sprechen? Ja, auf jeden Fall, denn Mats steht in diesem Kriminalroman mehr als einmal mit dem Rücken zur Wand. Zum einen verschweigt nämlich die Managementebene des Restaurantbetriebs, der familiengeführt ist, einige kritische Aspekte, die sich im Laufe der Zeit immer wieder gegen den PR- Agenten richten lassen. Zum anderen wendet sich aber auch seine eigene Tochter gegen ihn, setzt sogar einen Privatdetektiven darauf an, den Suizid ihrer Mutter aufzuklären und das notfalls auch gegen den Willen ihres Vaters.
Die Wandelbarkeit einzelner Figuren in „Riskante Rezepte“ von Birand Bingül
Wann immer ich ein Buch lese, achte ich darauf, ob die Figuren und ihre Beziehungen zueinander in sich schlüssig erscheinen. Dabei betrachte ich auch die Mehrdimensionalität und Vielschichtigkeit jedes einzelnen Charakters, der in einer Geschichte vorkommt.
Diese Wandelbarkeit oder sollte ich besser sagen Unberechenbarkeit ist es auch, auf die ich persönlich beim Krimi Wert lege, denn hätte jeder Charakter nur eine einzige Betrachtungsweise, so würde es schnell langweilig und der Täter schnell entlarvt. Bei diesem Buch ist es nicht so gewesen und das war gut, denn zum einen lernen wir Mats Holm von einer ganz neuen Perspektive kennen, zum anderen hat jeder einzelne, und damit meine ich auch die Nebenfiguren, einen vielschichtigen und zu Anfang undurchschaubaren Charakter.
Bianca Veh: Sterneköchin mit Leidenschaft
Bianca Veh ist die Sterneköchin des kleinen Familiengasthofes, zu dem auch ein exzellentes Restaurant gehört. Gerade erst zur Köchin des Jahres gewählt , gibt es für Bianca nichts größeres als das Kochen in ihrer geliebten Küche. Die Küche ist auch ihr Rückzugsort, wenn sie mal Stress hat und genau dieser Rückzugsort ist angegriffen worden, denn die Polizei ermittelt nach dem Tod eines Richters, der mit seiner Gattin zu Abend aß auch in ihrer Küche, denn der Tote wurde vergiftet.
Tatsächlich erscheint es so, dass Bianca Veh mit jedem neuen Sachverhalt weiter in sich zusammensackt. Zunächst ist sie betroffen, dann genervt, weil sie nicht mehr in ihre Küche darf, in der die Spurensicherung nach Beweisen sucht. Doch war es tatsächlich Mord? Oder ein Unfall? Könnte es auch ein Suizid gewesen sein?
Aufgrund der Gesamtsituation gerät Bianca in den Mittelpunkt des Medieninteresses und obwohl Holm sein Bestes gibt, um sie in dieser schwierigen Situation bestmöglich zu unterstützen, scheint doch alles immer noch ein wenig schwieriger zu werden. Was steckt eigentlich dahinter? Dieser Frage widmen sich mit Sicherheit nicht nur die Leser dieses Buch, sondern auch die Figuren, die sich immer stärker nach Klarheit sehnen.
Viele einzelne dieser Figuren und natürlich auch Bianca Veh selbst treibt dabei natürlich nicht nur der Tod des Richters, vielmehr müssen sie fürchten, dass Geheimnisse ans Licht kommen, die sie selbst lieber geheim gehalten hätten. Nun, bei Bianca ist es zunächst gar nicht so offensichtlich, Holm nimmt zwar eine gewisse Nervosität war, kann sich allerdings nicht erklären.
Biancas Mutter mag ihn nicht das ganze beruht auf Gegenseitigkeit, doch was genau zu verbergen hat, verrät kein einziges der Familienmitglieder. Biancas Vater ist der Mann hinter dem Erfolg seiner Tochter und davon getrieben, diesen Erfolg weiter auszubauen. Notfalls auch auf dem Rücken seiner Tochter.
Einzig Biancas Bruder bleibt zunächst ein Mysterium, bis Mats Holm dahinter kommt, was genau ihn mit dem Souschef in Biancas Küche verbindet. Scheinbar jeder erwartet etwas vom Bianca diese wird immer größerem Druck ausgesetzt. Doch eine Frage bleibt: Wer besitzt das größte Motiv, den Richter zu ermorden und war es überhaupt Mord oder nicht doch eher ein Unfall?
Motive und Möglichkeiten scheint es in unbegrenztem Ausmaß und das nicht nur am Gasthof selbst, sondern auch in Biancas Umfeld. Mit dem Druck, der nun auf ihren Schultern lastet, kann die ehrgeizige Sterneköchin, die auch eine große Fangemeinschaft verfügt nur schwer umgehen. Alles in allem fürchtet sie vielmehr, dass der Richter, der in ihrem Restaurant zu Tode kam ihrem Ruf nachhaltig schadet und sie so nicht mehr die gleiche Entspannung verspüren wird, wenn sie in der Küche steht. Doch irgendetwas passiert auch Bianca.
Ich persönlich möchte anmerken, dass ich über die einzelnen Motive an dieser Stelle kein Wort verlieren werde, denn de facto hat jeder einzelne, der in diesem Roman eine Episodenrolle spielt und mit dem Fall in Verbindung zu bringen ist, eine Motivation und möglicherweise auch die Möglichkeit dazu, dem Toten das Gift zu verabreichen. Wie bei allen Giften gilt aber auch hier, die Dosis macht das Gift oder konkreter, sollte man keine Substanz mit Alkohol konsumieren…
Trotz kulinarischer Genüsse kein kulinarischer Krimi
Genau genommen lese ich kulinarische Krimis ausgesprochen gerne und hatte ich auch hier die Erwartung eines kulinarischen Krimis, denn das Wort Rezept im Titel verweist darauf. Hätte man mir meinen Irrtum nicht gleich zu Anfang aufgeklärt, wäre ich vielleicht enttäuscht gewesen, so jedoch erwartete ich auch bei diesem Krimi eher einen Wirtschaftskrimi und ging mit anderen Erwartungen an die Sache.
Obwohl viele Szenen irgendwie in der Küche spielen, sind es doch nicht ausschließlich klassische Kochszenen, die sich hier zu tragen. Aus diesem Grund kann man diesen Krimi auch nicht als einen kulinarischen Krimi oder einen Küchenkrimi bezeichnen, denn trotz der engen Verbindung zur Küche und zum Kochen, steht hier die Wirtschaft im Vordergrund. Letztendlich scheint es hier wie auch im echten Leben in vielfacher Hinsicht nur den Fluss des Geldes zu gehen. Geld braucht bekanntermaßen jeder und wer es hat, regiert letztendlich mit aller Macht seinen Dunstkreis.
Szenische Darstellung
Wie auch schon beim letzten Fall ist auch dieser Einsatz wieder auf eine begrenzte Zeit von vier Arbeitstagen begrenzt. In diesen vier Tagen trägt sich nicht nur die gesamte Geschichte zu, sondern innerhalb dieser vier Tage zeigt sich anhand von szenischen Elementen, die schon fast an einen Film erinnern, der vor dem Auge des Lesers abläuft, wie lebendig und spannend ein Wirtschaftskrimi sein kann, aber auch wie schnelllebig und intuitiv. All das sind Merkmale, die diesen Krimi auszeichnen. Mir persönlich gefiel die Art und Weise, wie dieser Fall dargestellt wird, gut.
Allerdings zeigt sich im Vergleich der beiden Fälle, dass sich die Hauptfiguren Holm und May weiter entwickelt haben und doch beide ihre ganz eigene Persönlichkeit mit hineinbringen und auch das übrige Team hat sich weiter entwickelt.
Mir als Leser sind durch diesen zweiten Teil erst wirklich die Besonderheiten aufgefallen, die das Team mitbringt. Genau aus diesem Grund würde ich auch einen dritten Krimi dieser Ermittler gerne lesen. Ich bin mir nämlich sicher, dass es auch in anderen Wirtschaftsbereichen wiederum spannende Fälle gibt. Dieses Buch macht eine Sache auf jeden Fall deutlich: Wirtschaft ist nicht gleich Wirtschaft und kein Fall gleicht einem anderen.
Stilistisch ein Balanceakt
Wer glaubt, den Schreibstil von Birand Bingül aus dem ersten Band dieser Reihe bereits zu kennen, der irrt, denn ebenso sehr, wie sich der Fall verändert hat, hat auch der Autor Birand Bingül seinen Schreibstil an die beschriebenen Szenen angepasst. So erleben wir dieses Mal viele Details aus Holms Privatleben, wir erleben die Ereignisse vor dem Fall dieses Mal nicht nur als schmückendes Beiwerk, sondern eher als eine Art Sekundärfall, denn seine schwangere Tochter wünscht sich nichts sehnlicher, als die Ereignisse rund um den Suizid Tod ihrer Mutter aufzuklären.
Ereignisse, die Holm selbst am liebsten verdrängen würde, denn er selbst ist nicht so unschuldig, wie er es gerne wäre. Ob seine Tochter Liv gemeinsam mit dem Privatdetektiv tatsächlich die Ereignisse rekonstruieren kann, weiß zunächst niemand. Der PR-Agent in Mats Holm hofft darauf, dass sie letztendlich scheitert. Unterstützen wird er sie bei ihrem ganzen haben in keiner Weise und doch rückt sie seinen Geheimnissen jeder einzelnen ihrer Aktivitäten bedrohlich nahe…
Über den Autor Birand Bingül
„Birand Bingül, Jahrgang 1974, ist Autor und Redakteur beim WDR in Köln. Er arbeitete dort u.a. als stellvertretender Unternehmenssprecher, Tagesschau-Korrespondent, Tagesthemen-Kommentator und Radiomoderator. Nach »Riskante Manöver« erscheint mit »Riskante Rezepte« sein zweiter Kriminalroman bei btb.“ ( Quelle: btb Verlag)
Fazit
Birand Bingüls Wirtschaftskrimi „Riskante Rezepte – ein Fall für PR-Agent Mats Holm“ ist kein Fall wie jeder andere, sondern stattdessen einer, auf den man sich einlassen muss. Es ist ein Fall der einerseits so dicht am Restaurantwesen spielt, dass man ihn als kulinarischen Krimi führen könnte, und zum anderen eben doch weit genug weg, um keiner zu sein.
Mir persönlich hat dieser Einblick in einen ganz anderen Wirtschaftsbereich ausgesprochen gut gefallen, sodass ich mir auch vorstellen könnte einen dritten Wirtschaftskrimi von Birand Bingül zu lesen, sofern er erscheint.
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