„Vom Ende eines langen Sommers“ von Beate Teresa Hanika ist eine Familiengeschichte, die in drei verschiedenen Zeitsträngen spielt. Zunächst einmal erleben wir Mariella so, wie sie heute zu Beginn des Buches lebt. Weit weg von Zuhause hat sie sich ein Leben in Amsterdam aufgebaut. Mit einem Rückblick auf den vorangegangen Sommer lernen wir auch ihre Mutter Franka und ihre Zia Maria, die Schwester ihrer Mutter kennen. Trotz scheinbar Lebensfreude merken wir als aufmerksame Leser schnell, dass es so etwas wie Spannungen zwischen Mutter und Tochter gibt. Ein erneuter Sprung in die Gegenwart folgt. Mariella erhält Post von ihrer Tante und wundert sich darüber, dass es sich um Tagebücher ihrer Mutter von 1944 handelt. Diese Tagebücher sollte Zia Maria eigentlich verbrennen. Doch sie fand, dass Mariella ein Recht auf die Wahrheit haben sollte. Eine Wahrheit, die alles verändern sollte. Mit Blick in die Tagebücher reisen wir mit Mariella in die Jugend ihrer Mutter und ihrer Zia, zurück ins Jahr 1944. Zurück auch in die Zeit als der zweite Weltkrieg längst in vollem Gange war.
„Vom Ende eines langen Sommers“: emotional, authentisch
Beate Teresa Hanika erzählt dabei die Geschichte der drei unterschiedlichen Frauen aus zwei Generationen gleichermaßen emotional wie spröde und lässt sie dadurch irgendwie authentisch erscheinen.
Der ein oder andere mag nun denken, dass spröde und emotional ein Widerspruch sein könnte. Tatsächlich ist es jedoch so, dass keine der drei Frauen ihre Gefühle freiwillig offen zeigt. Vielmehr sind es unterdrückte Gefühle, die sich in ihren Handlungen offenbaren.
All das zeigt sich, wenn man das Buch aufmerksam liest. Betrachtet man also die einzelnen Figuren vor der Tatsache ihrer historischen Entwicklung, so fällt auf, dass sich Beate Teresa Hanika vor allem was die Generation der Älteren angeht, sehr mit der Zeit, in der sie aufgewachsen sein sollen, beschäftigt haben muss.
Durch diese figürliche Entwicklung entsteht auch eine gewisse Authentizität, die sich in jeder einzelnen Figur ihrer Handlungsweise manifestiert. Dennoch ist ihr Verhalten keinesfalls vorhersehbar. Es ist vielmehr das Bild einer Familie zwischen zwei Generationen, dass sich hier einer kritischen gesellschaftlichen Betrachtung unterziehen muss. Dennoch ist es keinesfalls so, dass dieses Buch nur anspruchsvoll ist, es weiß auch zu unterhalten.
Hanika gelingt es eine ausgewogene Mischung zu erzeugen, die den Leser zum Weiterlesen motiviert und ihn immer tiefer in die Historie dieser fiktiven Geschichte hineinzieht. Eine Familiengeschichte, die so aber auch tatsächlich hätte passiert sein können.
Atmosphärisch dicht und tief verwurzelt
Beate Teresa Hanika liebt es offenbar vor einer starken Kulisse ebenso starke Protagonisten auftreten zu lassen. Die Kulisse der Toskana lebt zunächst einmal dazu ein zu glauben, dass man mit diesem Buch vor der Wirklichkeit fliehen kann. Den Alltagsstress vergessen und die beiden Protagonisten einfach auf eine kleine Reise von Mutter und Tochter begleitet. Doch schnell findet man heraus, dass dieses Buch eben nicht der einfache Urlaub von Mutter und Tochter ist, vielmehr ist der letzte Urlaub der einen und der Rückblick der anderen auf ihr Leben.
Diese Geschichte weckt den Eindruck, dass sie irgendwo zwischen Empathie, Urlaubsstimmung und tiefer Tragik spielt. Dennoch drückt dieses Buch in gewisser Weise eine Lebensfreude aus, die man möglicherweise insbesondere deshalb so stark spürt, bei dem krassen Gegensatz zum anderen Teil der Handlung steht.
Die Autorin spielt also mit einem starken Spannungsgeflecht von Emotionen und das ist es auch, was den Reiz dieser Geschichte ausmacht.
Über Beate Teresa Hanika
„Vom Ende eines langen Sommers“ ist das erste Buch, das sich von dieser Autorin gelesen habe. Ja, ich muss sagen, dass mir der Stil wird die Geschichte selbst gut gefallen haben, dennoch ist eine Gratwanderung, die mich zu der Frage führte: „Wer ist eigentlich diese Beate Teresa Hanika?“
Beate Teresa Hanika, geboren 1976 in Regensburg, schrieb bereits mehrere erfolgreiche Jugendbücher, die u.a. mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurden. „Das Marillenmädchen“ ist ihr erster Roman für Erwachsene. Beate Teresa Hanika lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Regensburg.“
Fazit
Dieses Buch gehört nicht zu den Büchern, die man innerhalb kürzester Zeit oder womöglich innerhalb von nur wenigen Stunden durchgelesen hat. Stattdessen begleitet es einen zumindest in Gedanken über mehrere Tage und Wochen. Bei diesem Buch war ich sehr oft daran, es nach ein oder zwei Kapiteln aus der Hand zu legen und über das Gesagte nachzudenken. Gleichzeitig wollte ich es jedoch schnellst möglichst weiterlesen. Die Geschichte der drei Frauen ist eine, die einen tief berührt und bewegt und dennoch irgendwo zwischen Tragik und Komik spielt.