Am Freitag kam meine Wahlbenachrichtigung an. Das heißt für mich nur noch ein knapper Monat bis zur Wahl und somit Briefwahl beantragen. Denn das meiner Wohnung zugehörige Wahllokal kann ich nicht betreten. Die Treppe ist für Rollstuhl unmöglich, aber Wählen gehen ist für mich alternativlos, Bürgerpflicht und notwendig für eine funktionierende Demokratie. Doch wen wähle ich eigentlich? Was wählen die anderen? So eine Wahl zu beobachten, ist mittlerweile richtig spannend, denn es gibt ja neben den Volksparteien auch ein paar „Alternativen“. „Alternativen“, die ich selbst nie wählen würde und von denen ich hoffe, dass auch ihr sie nicht wählt.
Was also wählen?
Nun wer zur Wahl geht, hat die Qual der Wahl und sollte sich die unterschiedlichen Wahlprogramme vielleicht mal anschauen. Für mich war die Beschäftigung mit den Wahlprogrammen auch ein Grund den neuen Roman von Leif Tewes zu lesen. „Alternativen“ heißt es. Und ja, es beschäftigt sich mit den unterschiedlichen politischen Orientierungen. Dabei beschäftigt er sich auch mit jenen Parteien am linken und rechten Rand, jenen also, die ich nie wählen würde. Ich selbst wähle nichts, was an irgendeinen Rand geht. Ich hoffe bei euch ist es so ähnlich. Wer sich trotzdem auf angemessene, aber irgendwie auch unterhaltsame Weise beschäftigen möchte, der kann es mit „Alternativen“ von Leif Tewes versuchen. Dieses Buch ist Infotainment vom Feinsten.
Worum geht es?
„Thomas führt ein normales 08/15 Leben. Bis er eines Abends auf dem Weg nach Hause von Asylbewerbern überfallen wird. Durch einen Arbeitskollegen angeregt, besucht er eine Bürgerversammlung und ist von den Argumenten der neuen Partei „Die besseren Deutschen“ begeistert. Thomas lässt sich auf die Verführung der Rechten ein. Als er Zeuge eines vorgeblichen Mordanschlags auf ein Parteimitglied wird, befördert ihn der Kreisvorsitzende als Schweigegeld zu seinem Referenten für Berlin. Die Zukunft seines Landes mitzubestimmen macht ihn stolz, doch je mehr Einblick er in die Moral der Parteifunktionäre bekommt, desto größer werden seine Zweifel, ob er wirklich dazugehören möchte. Dann ereignet sich kurz vor der Wahl ein blutiger Anschlag in Frankfurt und alles deutet auf islamistische Terroristen hin. Doch Thomas hat die wahren Hintergründe erkannt. Kann er das Wahlergebnis durch Aufklärung rechtzeitig beeinflussen?
Kommissar Berg und seine Ermittler haben es in ihrem zweiten Fall mit den Machenschaften von Politikern und Meinungsmanipulation zu tun.“(Klappentext)
Dieses Buch lebt von der Vorstellung, dass diese Geschichte so tatsächlich möglich wäre und genau dieser Umstand sorgt auch für eine ganz bestimmte Stimmung.
Die Stimmung des Buches
Das Buch selbst hat einen düsteren Einstieg, der sich dann jedoch normalisiert und fast alltäglich erscheint bevor die Geschichte dann zunächst an Spannung und im Verlauf auch an Brutalität zu nimmt. Zu Beginn unterschwellig, später immer offensichtlicher.
Leif Tewes webt dabei geschickt die Ängste der Bürger mit ein. Er zeigt dabei eindeutig, welche Probleme es aktuell in unserer Gesellschaft gibt. Dabei geht er in unterschiedliche Millieus und Gessellschaftsgruppen und gewährt tiefe Einblicke in mögliche Denkstrukturen.
Stilistisch betrachtet
Sprachlich betrachtet ist die Erzählung sehr dicht an der Handlung. Manchmal ein bisschen derb, aber immer passend. Die Dialoge sind so geschrieben, dass sie die einzelnen Charaktere und Stimmungswechsel gut unterstreichen. Die beschriebenen Handlungen legen die Emotionen jedoch bei Seite und beschreiben sachlich und nüchtern, was geschieht.
Relevanz des Themas
Dass ihm selbst das Thema wichtig ist, zeigt sich durch zweierlei Auffälligkeiten. Zum einen nimmt sich Leif Tewes selbst mit seiner Meinung zurück und zeigt einfach, wie unpassend bestimmte Handlungen sind. Er kommentiert nichts, er beschreibt nichts, er zeigt und das ist gut so.
Dieses Zeigen ist in der tiefgehenden Recherche behaftet. Leif Tewes schaute nicht nur oberflächlich auf die beschriebenen Themen. Er erlebte sie.
Leif Tewes und seine Recherche
„Leif Tewes liefert zu aktuellen Themen Fake-News , Rechte Propaganda und Islamistischer Terror eine verschlungene Reise, die vom Rhein-Main-Gebiet über das Ruhrgebiet bis nach Syrien führt. Macht, Verführung und Lügen erweisen sich als elementare Zutaten eines Wahlkampfes, der sich durch die Medien und das Internet wie ein Lauffeuer verbreitet.
Für die Recherche dieses Romans ist der Autor sogar Parteimitglied einer populistischen Partei geworden mit einer falschen Identität natürlich. Sein Ziel war es, die Charaktere, die sich hinter der Beschreibung »ängstliche Bürger« bewegen, zu studieren. Ein gewagtes Unterfangen. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen fließen zwischen Realität und Fiktion in das Buch »Alternativen« ein und ergeben einen fesselnden Roman Noir, der sich auf wahre Begebenheiten stützt. Ein brandaktuelles Thema, das uns alle etwas angeht.“ (Quelle)
Ein Lesevergnügen?
Was sollte ich nun noch groß anderes sagen: Ich habe dieses Buch an einem Wochenende gelesen. Ich habe es nicht mit Genuss gelesen, denn ein Buch das so erschreckend realistisch von möglichen Entwicklungen und realen Konflikten erzählt, kann kein Genuss sein.
Auch von Spaß kann ich bei diesem Buch nicht reden. Denn dieses Buch ist ernst und könnte womöglich bittere Realität werden.
Fazit: Kann ich „Alternativen“ empfehlen?
Das kommt darauf an, was für euch ein gutes Buch ausmacht. Lest ihr nur Bücher, die Spaß machen und euch unterhalten? Dann ist dieses Buch nicht das richtige für euch. Lest ihr aber auch gerne mal einen Roman noir, der nicht nur unterhalten, sondern auch und in erster Linie informieren möchte, dann solltet ihr dieses Buch lesen, bevor ihr zur Wahl geht.
Ich kann, ich will und ich werde euch an dieser Stelle nicht bekehren, sondern euch nur auf eine Kleinigkeit hinweisen. Wir leben in einer Demokratie. Das bedeutet wir als Volk regieren, wir entscheiden auch in welcher Gesellschaft wir leben und wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Wenn wir nicht zur Wahl gehen, kein Kreuzchen machen, nicht wählen, dann wählen wir doch, aber das Falsche. Ich habe mich über die Parteiprogramme informiert, werde wählen. Was ich wähle? Ganz einfach, eine Gesellschaft in der jeder willkommen ist.