„Herz am langen Zügel“ von Antje Szillat ist ein klassischer Frauenroman, der aus der selbstbewussten Frau doch wieder das Pferdemädchen von einst werden lässt.
Auch Malin, die Protagonistin in diesem Buch, ist mittlerweile längst eine toughe Karrierefrau und hat den Hof ihrer Eltern längst Richtung Hamburg verlassen.
Nun erhält die energiegeladene und höchst engagierte Marketing-Expertin einen Anruf ihrer Mutter, der sie innerhalb kürzester Zeit zur kurzfristigen Heimkehr auf Zeit bewegt. Grund: Ihr Vater, immerhin 70, ist vom Heuschober gefallen und auf dem Weg ins Krankenhaus. Ihre Mutter ist beunruhigt und viel zu aufgeregt, um tatsächlich klare Antworten geben zu können.
Im Krankenhaus wird Malin zwar schnell klar, dass ihr Vater zwar nicht lebensgefährlich verletzt ist, er aber trotzdem einige Wochen im Krankenhaus verbleiben müsse. Anschließend käme die Reha und bis er wieder so fit wäre, dass er den Stall wieder alleine führen könnte, würden wohl Monate vergehen.
Als Malin wenig später mit ihrer Mutter auf den Hof zurückkehrt trifft sie ein weiterer Schock. Nichts erinnert an den schönen Hof von einst. Vieles scheint heruntergekommen und verfallen. Die Pferde selbst erscheinen verwahrlost.
Malin hadert mit sich, denn die Rettung des Hofes bedeutet, eine Auszeit im Job zu nehmen. Doch dann kommt Hilfe von gänzlich unerwarteter Seite und ein Plan nimmt Gestalt an.
„Herz am langen Zügel“ von Antje Szillat: ein Roman für erwachsene Pferdemädchen
„Herz am langen Zügel“ von Antje Szillat ist ein Roman, der an Jugendromane wie „Ostwind“ erinnert. Dabei ist die Zielgruppe sogar ganz ähnlich, wie unterscheiden sich allerdings in einem Aspekt, dieses Buch richtet sich an erwachsene Leserinnen und Leser.
Wobei ich eher sagen würde, dass ich dieses Buch vor allem an Frauen richtet, die früher als die Pferderomane in ihrer Jugend gelesen haben oder möglicherweise sogar selbst geritten sind.
„Herz am langen Zügel“ von Antje Szillat weckt Erinnerungen an eine Zeit, die möglicherweise bereits mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt, somit erscheint mir persönlich dieses Buch fast wie eine Zeitreise. Gleichzeitig mit dem Gefühl in die Jugend zurück zu reisen setzt die Autorin eine Emotion frei. Sie versetzt ihre Leserinnen, und ja ich gehe davon aus, dass dieses Buch vor allem von Frauen gelesen wird, in das Gefühl von Freiheit. Alles Glück der Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde.
Dieses Zitat ist in diesem Roman nicht bloß daher gesagt, tatsächlich entwickelt die Protagonisten mit der Rückkehr auf den Hof ihrer Eltern wiederum ein Gefühl von Freiheit, das so ganz anders ist, als sie sich vorgestellt hatte.
Vor einigen Jahren kehrte Protagonistin aus „Herz am langen Zügel“ dem Hof ihrer Eltern den Rücken, um in der großen Stadt Karriere zu machen. Nun hat sie scheinbar alles erreicht, aber besonders glücklich geworden sie damit nicht.
Der Stil in „Herz am langen Zügel“
Antje Szillat kenne ich als Autorin zahlreicher Kinder- und Jugendbücher, von denen ich einige selbst mit Begeisterung gelesen habe. Da es sich hierbei um ein Erwachsenenbuch handelt, ist der Stil natürlich ein gänzlich anderer.
Gleichzeitig hat sie sich ihre Frische und Geradlinigkeit bewahrt. Der Roman ist dabei nicht nur ein klassischer Liebesroman, sondern enthält auch eine gelungene Mischung aus Tierschutz- und Abenteuergeschichte. Sprachlich hat sich das Niveau natürlich an die erwachsene Zielgruppe angepasst.
Die Autorin verbindet dabei sachliche Präzision mit Emotion und Lebendigkeit. Das Lesen dieses 288 Seiten starken Romans macht deshalb richtig Freude.
Eine Geschichte mit Tiefgang und Gefühl
Nicht nur sprachlich, sondern auch im Rahmen der Handlung wird deutlich, dass es sich um eine Geschichte mit Tiefgang und viel Gefühl handelt. Obwohl dieser Roman als Liebesroman vor Pferdekulisse angekündigt war, wird schnell deutlich, dass die einzelnen Figuren ebenso vielschichtig sind wie auch die Geschichte.
Gleichzeitig ist dieser Liebesroman mehr als nur die Geschichte zwischen einer Frau und einem Mann. Es könnte nämlich auch als eine Liebesgeschichte zwischen Pferd und Reiter oder Kind und Eltern verstanden werden.
„Herz am langen Zügel“ von Antje Szillat: Protagonisten mit Stärke und ganz eigener Geschichte
Auffällig ist, dass „Herz am langen Zügel“ von Antje Szillat sich in der Darstellung der Protagonisten weit stärker vom Jugendbuch unterscheidet, als in der Handlung angenommen werden kann. Die Protagonisten haben nämlich alle bereits eine Vergangenheit. Sie haben in dieser Vergangenheit Dinge erlebt, die jetzt ihr Handeln in „Herz am langen Zügel“ prägen und kennzeichnen.
Genau diese Vergangenheit schärft aber auch die Darstellung der Protagonisten und macht sie besonders authentisch.
Bei einem Jugendbuch habe ich immer das Gefühl, dass wir eine Entwicklung miterleben, die vor allem durch überraschende Ereignisse geprägt wird.
Bei „Herz am langen Zügel“ habe ich jedoch das Gefühl, dass wir diese Zeit der Prägung bereits hinter uns gelassen haben, dass die Figuren zwar eine Vergangenheit haben, die sie in irgendeiner Form charakterisiert und ausmacht, sie aber gradlinig erscheinen. Gradlinig, aber nicht unbedingt berechenbar, denn ihre Vergangenheit und ihre Geschichte offenbaren sich erst nach und nach.
Möglicherweise ist dies auch der Grund, warum „Herz am langen Zügel“ von Antje Szillat eine so starke Sogwirkung entfaltet.
Über Antje Szillat
„Antje Szillat arbeitete viele Jahre für ein großes Unternehmen, bevor sie nach der Geburt ihres ersten Sohnes mit dem Schreiben anfing. Seit 2007 ist sie als freie Autorin tätig und hat inzwischen rund 60 Bücher bei großen, bekannten Verlagen veröffentlicht.
Im Kinderbuchbereich ist ihr eine Bestsellerreihe geglückt, die inzwischen in viele Sprachen übersetzt wurde. Antje Szillat ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in einer Kleinstadt zwischen Hamburg und Hannover, wo sie auch ihrer großen Liebe, dem Pferdesport, frönt.“ (Droemer Knaur)
Fazit zu „Herz am langen Zügel“ von Antje Szillat
Ein Buch für erwachsen gewordene Pferdemädchen, das als Standalone tatsächlich in die Kindheit und Jugend entführt. Stilistisch macht dieses Buch Spaß beim Lesen und auch der Plot lädt zum Träumen und Verweilen ein. Ich hätte gerne mehr bekommen, aber es ist vermutlich nicht der Auftakt zu einer Reihe.
Die Protagonistin hätte sicherlich das Potenzial besessen, auch in einem weiteren Roman mitzuwirken. Ob als Hauptfigur oder als Nebenfigur, möchte ich an dieser Stelle gar nicht näher erklären, die Handlung als solche erscheint jedoch abgeschlossen und von der Autorin hieß es im Anschluss nicht, dass sie weitere Romane geplant hätte, die auf diesem Hof spielen.
„Herz am langen Zügel“ von Antje Szillat hat mir dennoch gefallen und ich bin froh, dass ich diesen alleinstehenden Roman der Autorin gelesen habe.