„Der letzte Satz“ von Robert Seethaler ist eine Mischung aus Porträt und Romanbiografie über den bekannten Dirigenten und Komponisten Gustav Mahler. Allerdings erzählt Robert Seethaler in diesem Buch nicht die komplette Biografie Gustav Mahlers, sondern lediglich einen ausgewählten Ausschnitt.
Es handelt sich hierbei um die letzte Reise Gustav Mahlers von New York in Richtung Europa. Auffällig ist gleich zu Beginn, dass der Autor mit einer gewissen Direktheit die zahlreichen Krisen der Vergangenheit betrachtet, die Gustav Mahler erlebt hat. Die vielen Krankheiten in seiner Jugend und im Erwachsenenalter, der Verlust seiner Tochter Maria an die Diphtherie, das Fremdgehen seiner Frau Alma…
Deutlich zu spüren ist aber auch, dass Gustav Mahler eine besondere Verbindung zur Musik hatte, nicht nur zu seiner eigenen, sondern auch zu jenen Kompositionen anderer bekannter Musiker. Beethoven, Haydn und einige weitere kamen regelmäßig in seinen Programmen vor.
„Der letzte Satz“ von Robert Seethaler: eine emotionale Betrachtung eines tragischen Lebens
Wer „Der letzte Satz“ von Robert Seethaler zu lesen beginnt, wird schnell feststellen, dass sich diese Romanbiografie vor allem für jene Leserinnen und Leser lohnt, die sich gerne mit der klassischen Musik beschäftigen möchten. Der in diesem Roman vorgestellte Komponist gilt dabei als einer der produktivsten. Gleichzeitig jedoch war er kein einfacher Mensch.
Gustav Mahler musste in seinem Leben einige Krisen verarbeiten, was ihm im Verlauf der Jahre zunehmend schwerer erschien. Die einzelnen Aspekte dieses tragischen Lebens betrachtet Robert Seethaler innerhalb der letzten Reise Mahlers auf dem Schiff „Amerika“.
Der bekannte Komponist hat sich mittlerweile auf der gesamten Welt einen Namen gemacht. Er ist nicht nur der produktivste, sondern auch einer der erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit. Auf der Überfahrt von New York nach Europa, die Mahler mit seiner Frau Alma antritt, wird er von einem Schiffsjungen begleitet und unterstützt.
Gustav Mahler ist mittlerweile nämlich so stark vom Leben gezeichnet, dass er selbst seinen Zustand als kritisch bezeichnen müsste. Die Reise nimmt er zum Anlass auf einige ausgewählte Aspekte seiner Biografie zurückzublicken.
„Der letzte Satz“ von Robert Seethaler: ein Roman über Trauer, Depression und den Verlust des Lebenswillen
Bereits zu Beginn hatte ich das Gefühl, dass „Der letzte Satz“ von Robert Seethaler ein Roman im Sinne einer Romanbiografie ist, der oder die sich mit Trauer, Depression und dem Verlust des eigenen Lebenswillen beschäftigt.
Nach dem Tod seiner Tochter Maria flüchtet sich Gustav Mahler in die Arbeit, leidet jedoch weiterhin unter der Tatsache, dass er sie nicht retten konnte. Dabei zieht er sich von seiner verbliebenen Familie immer weiter zurück, flüchtet sich in die Arbeit, ist produktiver als je zuvor. Gleichzeitig jedoch fühlt er sich leer.
Distanz, Innenansichten und Emotionalität: der Erzählstil von Robert Seethaler in „Der letzte Satz“
Bei diesem Buch ergab sich schnell ein Gefühl von Nähe zu Gustav Mahler. Denn obwohl die Geschichte scheinbar einen personalen Erzähler aufweist, besitzt sie doch eine hohe Emotionalität und darüber hinaus scheinbare Innenansichten (Rückblicke Mahlers), die ich sonst nur vom allwissenden Erzähler kenne.
Dass es sich hierbei nicht um einen auktorialen Erzähler handelt, wird allerdings genauso schnell offensichtlich, denn obwohl sich das Gefühl von Schwere und Trauer vergleichsweise schnell einstellt, bleibt man doch gewissermaßen auf Distanz.
Persönlich war ich mir aus diesem Grund nicht ganz sicher, ob es diesen Roman gelänge, mich in die Handlung hinein zu ziehen. Umso überraschender war ich dann, als ich nur wenige Stunden später diesen Roman beendet hatte, denn die fast greifbare und schmerzhafte Trauer Gustav Mahlers ist nicht nur wahrnehmbar, sondern nachfühlbar.
„Der letzte Satz“ von Robert Seethaler: Eine Romanbiografie, die auf Sören Kierkegaard Bezug nimmt
Tatsächlich ist „Der letzte Satz“ von Robert Seethaler allerdings kein Buch, das nur von der Trauer und dem Gefühl der Ohnmacht lebt, sondern eine Geschichte, die irgendwo auch auf ein Zitat von Sören Kierkegaard Bezug nimmt.
In seinem aktuellen Roman zeigt nämlich Robert Seethaler, dass an der Aussage Sören Kierkegaards „Man kann das Leben rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben.“ tatsächlich etwas dran ist. Am ehesten verständlich wird das, wenn man sich eine Romanbiografie wie jene über Gustav Mahler einmal genauer ansieht.
Die Philosophie Sören Kierkegaards passt meiner Meinung nach perfekt zu dieser Romanbiografie, da sie einerseits die Geschichte mit zahlreichen Rückblicken versieht, andererseits aber auch dafür sorgt, dass wir als Leserinnen und Leser dieser Geschichte neben all den negativen Facetten auch die positiven zu Gesicht bekommen.
So hatte Gustav Mahler neben all den schweren und bewegten Zeiten auch viele Erfolge und Zeit mit der Familie, die er genießen konnte. Alles in allem bildet Robert Seethaler anhand dieser Romanbiografie also den Verlauf eines Lebens ab.
„Der letzte Satz“ von Robert Seethaler: anspruchsvoll, philosophisch, authentisch
Alles in allem muss man bei „Der letzte Satz“ von Robert Seethaler sagen, dass diese Geschichte gleichermaßen anspruchsvoll wie philosophisch und authentisch erscheint. Das alles macht diese Romanbiografie zu einem Erlebnis, bei dem man die Gelegenheit hat, Gustav Mahler auf seiner letzten Reise von Amerika nach Europa zu begleiten.
Insgesamt erscheint diese Romanbiografie aber nicht als ein Erlebnis, sondern auch als ein Buch von Anspruch, da man sich schon für die klassische Musik Gustav Mahlers interessieren sollte. Jemand der dieses Interesse nicht mitbringt, wird bei dieser Romanbiografie wenig Enthusiasmus mitbringen, um diese Mischung aus Fiktion und wahren Begebenheiten lesen zu können.
„Der letzte Satz“ von Robert Seethaler: warum eine Romanbiografie
Da es in der heutigen Zeit keine Augenzeugen mehr gibt, die über das Leben von Gustav Mahler berichten könnten, gibt es einerseits einige Lücken, die sich auch durch die intensivsten Recherchen nicht schließen lassen, andererseits auch die Möglichkeit sich selber einige Gedanken über das Leben, das Wirken, das Streben und das Sterben eines großen Musikers mit einer gewissen Kreativität und Freiheit zu betrachten.
Robert Seethaler hat diese Freiheit dazu benutzt, einen ausgewählten Zeitpunkt unter die Lupe zu betrachten und mit Emotionen zu versehen, die Gustav Mahler so tatsächlich empfunden haben könnte. Allerdings wären auch andere Ereignisse möglich. Eine Romanbiografie ist also immer auch eine Hypothese.
Diese Option, genau auf die Art und Weise vorzugehen, besteht jedoch nicht bei einer Biografie, die sich ausschließlich aus Fakten darstellt. Also musste es bei dem Porträt Gustav Mahlers eine Romanbiografie sein, die zu Grunde gelegt wird.
Robert Seethaler verbindet an dieser Stelle gekonnt die tatsächlichen Ereignisse Mahlers Biografie mit dem, was er selbst für möglich hält, denn insbesondere die Gespräche, die Mahler führt, sind nicht Wort für Wort überliefert. Also musste der Autor an dieser Stelle selbst kreativ tätig werden.
Über den Autor Robert Seethaler
„Robert Seethaler, geboren 1966 in Wien, ist ein vielfach ausgezeichneter Schriftsteller und Drehbuchautor. Seine Romane „Der Trafikant“ (2012) und “ Ein ganzes Leben“ (2014) wurden zu großen internationalen Publikumserfolgen. 2018 ist sein neuer Roman “ Das Feld“ erschienen. Robert Seethaler lebt in Wien und Berlin.“ (Hanser Berlin)
Fazit zu „Der letzte Satz“ von Robert Seethaler
In der letzten Zeit habe ich mich einige Male mit Musikern der klassischen Musik beschäftigt, bei keinem der Romane war es jedoch eine Romanbiografie, die ich las. Aus diesem Grund war ich auch skeptisch, ob dieses Buch sich genauso flüssig und gut lesen ließ, wie beispielsweise „Letzte Klappe am Comer See“.
Mittlerweile weiß ich jedoch, dass die beiden Bücher definitiv nicht miteinander vergleichbar sind, obwohl sie sich beide mit klassischen Musikern beschäftigen.
Müsste ich mich für eines der beiden Bücher entscheiden, so würde ich sagen, dass beide Bücher nicht unbedingt für die gleichen Leser geeignet sind, vielmehr sucht er eine nach Unterhaltung und der andere nach Ernsthaftigkeit.
Meiner Meinung nach zählt „Der letzte Satz“ von Robert Seethaler eher zu ernsthaften Literatur und sollte auch mit entsprechender Erwartung gelesen werden. Bei „Der letzte Satz“ handelt es sich um ein überaus interessantes Buch, das jedoch nicht unbedingt unterhalten möchte, sondern vielmehr aufzeigen, welche unterschiedlichen Einflüsse ein Leben verändern können.
Im Fall von Gustav Mahler zeigt sich das besonders über die Gegensätze Freude und Trauer, Liebe und Eifersucht sowie Krankheit und Gesundheit.
Gustav Mahler war ein leidenschaftlicher Musiker und seine Werke besitzen bis heute nicht nur eine Energie und eine Kraft, sondern auch die besagte Leidenschaft, die Musik bedarf, um die Zeit zu überdauern.
All diese Aspekte dieses Buches sagen mir, dass sich für mich gelohnt hat, diese Romanbiografie zu lesen.
No Responses