Wie willst du sein, wenn du einmal alt wirst? Wo wirst du dann leben und wie? Mit dieser Frage hat sich Edda nie so wirklich beschäftigt und doch ist es eine, wenn nicht die Frage, die zukünftig ihr Leben bestimmt. Ich denke, dass diese Frage nicht ganz unwichtig ist und würde gerne eure Meinung dazu lesen.
Doch wer ist nun eigentlich diese Edda?
Edda ist die Protagonistin im Buch „Träume bleiben ohne Reue“ von Victoria Suffrage. „Edda, schnodderige Ex-Puffmutter, lebt im Altenheim und pflegt ihr Image als Scheusal. Darin wird sie bestärkt, als sie die tödliche Diagnose ALS erhält. Innerlich beginnt Edda sofort, ihren Abgang zu planen. Wilma, Eddas neue Mitbewohnerin, begegnet deren Gehässigkeit mit Herzlichkeit. Nach Anfangsschwierigkeiten erklärt sich Wilma sogar bereit, Edda bei ihrem Abgang mithilfe der „Beklopptengang“ zu unterstützen. Der Altenpflegeschüler Vincent nennt sie »mon général«, wühlt unerlaubt in Schränken, die Schülerin Laura hat auf nichts Bock und schleudert das Jesuskind an die Wand. Und was wollen der Herrgott in Eddas Badezimmer und der schwarze Vogel auf dem Fensterbrett?“ (Klappentext)
Vom Hilfebedarf, der Menschenwürde und dem Älterwerden
Tatsächlich sollte das Thema Pflege und Hilfebedarf nicht erst im hohen Alter bedacht und geplant werden, denn jeder kann zu jederzeit hilfebedürftig werden und ist dann auf Pflege und Alltagshilfe angewiesen.
Im Paragraph 1 des Grundgesetzes ist festgelegt „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Der Pflegenotstand in Deutschland rüttelt jedoch ganz schön an diesem Grundsatz, denn oftmals ist der Druck, der auf einer einzelnen Pflege(fach)kraft lastet ganz schön hoch.
Die Erwartungen des Einzelnen bleiben dabei auf der Strecke, die Wünsche und Träume oftmals ebenfalls und erst Recht. Doch wer frühzeitig über das Thema nachdenkt, ist nicht nur besser auf den Ernstfall vorbereitet, sondern weiß, worauf er sich einlässt.
Neben dem altbekannten Alten- oder Pflegeheim gibt es zahlreiche Alternativen, die es sich anzusehen lohnt. Stichwörter wie Pflege-WGs oder Mehrgenerationshäuser sind nur zwei mögliche Alternativen. Mit einem entsprechenden Budget und frühzeitigen Beantragung von Pflegeleistungen sind sicher auch Alternativen denkbar.
Die Lösungsansätze müssen dabei – und das ist mir persönlich wichtig – auf die individuellen Bedürfnisse passen.
Warum geht Edda uns alle an?
„Ich lasse die Bettdecke jetzt so lange über meinem Kopf, bis diese impertinente Person aus dem Zimmer verschwindet. Egal, ob durch die Tür oder das Fenster. Verschwunden! Weg! Aufgelöst!“(Victoria Suffrage. Träume bleiben ohne Reue (Kindle-Positionen 5-6). Kindle-Version.)
Jeder hat das Recht darauf von Zeit zu Zeit einmal allein zu sein. Immer allein wäre aber sicherlich auch das Falsche. Dass es sich in Eddas Fall um ihre eigentlich überaus freundliche Bettnachbarin Wilma handelt, ist natürlich tragisch.
„Ich mache die Tür auf und – Vincent steht unserem Zimmer. Die zwei Schränke von Wilma sind offen und er wühlt darin rum. Schneller als es mein Alter erlaubt, bin ich mitten im Raum und halte ihn an seinem Kittel fest. »Kannst du mir mal sagen, was du hier machst?« Ich hoffe, dass ich bedrohlich klinge und er Angst vor mir bekommt. Ich habe gerade Angst vor ihm. »Mon général, ich räume die Zimmer auf.« Vincent ist verlegen, dies ist eindeutig. Ertappt. »Ach so, und deshalb wühlst du bei Wilma in den Klamotten rum?« Ich habe nicht zu Ende gesprochen, als es mir wie Schuppen von den Augen fällt. Wilmas Ersparnisse, garantiert hat sie ihm davon erzählt. Daher sein Interesse für meine Freundin. Alles passt hervorragend zusammen. Garantiert auch deshalb das Katzengeschenk, damit er sie in der Hand hat. »Bleib bloß stehen, sonst schreie ich.« »Ich wollte doch nur …« »Was wolltest du? Dein Taschengeld aufbessern?«“(Victoria Suffrage. Träume bleiben ohne Reue (Kindle-Positionen 1303-1310). Kindle-Version.)
Sollte es sich bei der hier zitierten Szene tatsächlich um einen Diebstahl handeln? Nein, das will ich euch nicht verraten. Stattdessen möchte ich anmerken, dass auch der gegenseitige Respekt in Bezug auf eine Pflege(fach)kraft oder Assistenz nicht unwichtig ist.
Hinzu kommt so etwas wie lässt mich meine Pflegekraft, die Dinge selbst tun, die ich (noch oder wieder) selbstständig tun kann? Und wie viel Vertrauen kann ich meiner Pflegekraft entgegen bringen. Es braucht in Bezug auf dieses Thema sicherlich Zeit dieses Vertrauen aufzubauen, aber es dauert nicht minder lange, passende Einsatzkräfte zu finden. Edda ist also so etwas wie unsere Alarmanlage, unser Impuls uns auf ein mögliches Später vorzubereiten.
Warum wir alle ein bisschen wie Edda sein sollten?
Ganz einfach, Edda sagt was sie denkt. Sie ist schonungslos direkt. Manchmal eine Kratzbürste, ja auch das, aber oftmals auch einfach nur ehrlich. Mit Emotionen hat Edda es auch nicht so, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Denn da müsste sie ja zu geben, dass auch sie Schwächen hat. Edda aber erscheint stark und selbstbestimmt und möchte dieses bleiben, bis zu ihrem Tod.
Das wird ihr helfen mit der sich verändernden Situation umzugehen. Gleichzeitig ist sie somit nicht das, was sich manch einer wohl wünschen würde, der Menschen im Alter oder mit Handicap versorgen muss: „Unser Musterkrüppelchen – dankbar, lieb, ein bisschen doof und leicht zu verwalten.“ (Gusti Steiner, Sozialarbeiter, 1938-2004)
Becky
Ganz lieben Dank für deinen wirklich tollen Beitrag 🙂