Janne Mommsens „Die Bücherinsel“ übte auf mich einen gewissen Reiz aus. Es handelt sich nämlich um die Fortsetzung von „Die kleine Inselbuchhandlung“ und ich hoffte auf ein Wiedersehen mit Greta und anderen lieb gewonnen Figuren. Natürlich habe ich mich nach dem Lesen des Klappentextes auch schon sehr darüber gefreut, dass es nun eine Geschichte um Sandra Malien gibt, einer wichtigen Nebenfigur des ersten Bandes. Ich freute mich sehr auf diese Geschichte und erlebte eine Überraschung.
Die kleine Inselbuchhandlung hat sich zu einer Institution der Insel gemausert und Greta entwickelt sich mittlerweile zu einer echten Geschäftsfrau, dennoch hat sie ihre Freundlichkeit und Selbstverständlichkeit nicht verloren. Vielmehr hat sie sich voll und ganz ins Inselleben eingebracht und einen Lesekreis in ihrer Buchhandlung etabliert. Dieser ist nun für die Geschichte nicht unwichtig, denn hier treffen sich die Inselbewohner regelmäßig, um gemeinsam Bücher zu lesen.
Die Geschichte um Sandra Malien
Vor einigen Jahren kam Sandra auf die Insel und ließ sich nieder. Mittlerweile hat sie als Putzfrau auf der Fähre angefangen und wohnt in der Souterrain-Wohnung, die zur Villa eines großen Verlegers gehört. Dass sie als ehemaliges Schaustellerkind regelmäßig die Schulen wechselte, keine Freundschaften langfristig aufrecht halten konnte und weder lesen noch schreiben gelernt hat, ist bislang niemandem aufgefallen.
Bei einem Besuch bei Greta wird sie auf den Lesekreis aufmerksam und setzt sich dazu. Aus echtem Interesse, denn Geschichten, wie sie sie beispielsweise von ihren Hörbüchern kennt, zogen sie schon immer magisch an.
Bei diesem ersten Treffen lernt sie auch Björn kennen. Was sie zunächst nicht weiß, ist, dass er der Schulleiter in der Grundschule ist. Doch nach und nach werden die beiden sich besser kennen und schon bald ist sie sich nicht ganz sicher, wie er darauf reagieren würde, dass sie weder lesen noch schreiben kann und so verschweigt sie dieses Problem. Stattdessen nimmt sie regelmäßig am Leserkreis teil, betreibt dabei einen großen Aufwand um den funktionalen Analphabetismus weniger auffällig werden zu lassen und geht ansonsten scheinbar einem ganz normalen Leben nach. Was keiner ahnt, mit Greta gemeinsam beginnen sie sich tatsächlich ihrem Problem zu stellen.
Dennoch bleibt natürlich eine gewisse Unsicherheit, denn bei jedem neuen Lesekreis könnte auffallen, dass sie nicht so ist, wie die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie selbst hat dabei Fähigkeiten, die sie zunächst einmal gar nicht kannte. Erst als die Gruppe anfängt zu schreiben, wird ihr bewusst, dass ihr alle Jahre tatsächlich entgangen ist.
Thematik eines Problems, das viele angeht
Tatsächlich ist der funktionale Analphabetismus auch in Deutschland keinesfalls komplett unbekannt. Vielmehr gibt es auch in einem Industrieland wie Deutschland immer wieder viele Menschen, die unter dem Radar bleiben, deren Analphabetismus im Verborgenen bleibt. Manche Menschen stellen sich diesem Problem nicht, andere versuchen es mittels Kursen anzugehen.
Aus diesem Grund finde ich es sehr wichtig, dass Janne Mommsen in „Die Bücherinsel“ dieses Thema angeht. Dass dies in Romanform passiert finde ich überaus gelungen, denn auf diese Weise wird niemand bloßgestellt oder abgewertet. Vielmehr wird auf ein Problem hingewiesen, dass auch in unserer Gesellschaft immer noch gibt.
Kann ein ernstes Thema Unterhaltung bieten?
Natürlich, ein ernstes Thema kann diese im Roman gewünschte Unterhaltung tatsächlich bieten, denn auch wenn der Analphabetismus ein großer Teil dieser Geschichte zu sein scheint, rückt er doch immer weiter in den Hintergrund, denn Sandra Malien geht ihr Problem ja bekanntermaßen an und aus diesem Grund rückt mehr und mehr die Geschichte der sie arbeitet in den Vordergrund und nicht nur die, sondern auch ihre Geschichte mit Björn wird immer prominenter.
Liegt dies nun daran, dass das Thema selbst im Auto nicht wichtig genug war bis zum Ende durchzuhalten? Nein, denn das Thema selbst wird zuletzt eingehalten, allerdings rückt es im Verlauf der Geschichte zunächst vom Problem selbst zu einer Lösung, die nicht nur Sandra Malien helfen wird, sondern in gewissermaßen allen Bewohnern der Insel helfen wird. Denn Sandra zeigt wenn auch eigentlich nur im Geheimen wie wichtig es ist, zu sich und seinen Vorstellungen vom Leben zu stehen.
Damit sorgt sie zwar für eine Menge Aufregung, allerdings nicht, um ihr Problem in den Mittelpunkt zu rücken, sondern um sich tatsächlich in die Gemeinschaft der lesenden einzubringen. Für eine Nichtleserin ist dies mit einem Heidenaufwand verbunden, aber es gelingt auf ganz eigene Weise. Tatsächlich kommt also auch eine ganze Menge Unterhaltung diesem Buch vor den aus diesem Grund schrumpft die Bedrohlichkeit des Themas Analphabetismus zu einem kleinen Thema mit großer Wichtigkeit zusammen.
Unterhaltung pur oder Edutainment?
Vor einigen Jahren habe ich mich einfach damit beschäftigt, dass die beste Form der Bildung auch unterhalten kann. Meiner Meinung nach bietet dieses Buch alle Möglichkeiten zu mindestens eine grundlegende Aufmerksamkeit für dieses Thema zu schaffen. Dennoch steht die Unterhaltung bei diesem Buch im Vordergrund.
Wer sich also wirklich ernsthaft mit dem Thema befassen möchte, entweder weil der Betroffene im Umfeld hat oder einfach nur aus Interesse, der wird mit diesem Buch nur einen ersten Tropfen Information bekommen. Für mehr wurde dieses Buch auch gar nicht geschrieben, vielmehr soll dieses Buch Unterhaltung bieten. Trotzdem würde ich auch nicht von purer Unterhaltung sprechen, denn aufgrund des ernsten Themas hat dieses Buch durchaus ein wenig Tiefgang.
Ein echter Urlaubsroman?
Als ich den Klappentext zu „Die Bücherinsel“ von Janne Mommsen gelesen habe, war ich mir zunächst nicht sicher, ob dieser Roman nun ein echter Urlaub, sein könnte, doch tatsächlich wurde ich nicht enttäuscht.
Vielmehr ist dieses Buch ein Urlaubsroman mit einem gewissen Zusatz. Einerseits hat man das Flair die Atmosphäre der Küste, andererseits hat man den ernsten Hintergrund und einen gewissen Mehrwert, dennoch wirkt dieses Buch und seine gesamte Geschichte als absolute Wohlfühlgeschichte, als ein Roman, den man hineintauchen kann.
Stilistisch
Es fällt mir schwer, „Die Bücherinsel“ von Janne Mommsen als leichte Kost abzutun, denn obwohl der Roman sprachlich einfach ist, wird es doch sicherlich nicht für jeden eine leichte Kost sein. Tatsächlich braucht aber der durchschnittliche Leser bei diesem Buch keine übermäßige Anstrengung aufzubringen.
Vielmehr ist „Die Bücherinsel“ von Janne Mommsen tatsächlich dazu geschrieben worden, seine Leser zu unterhalten und kommt deshalb mit einer gewissen friesischen Gelassenheit daher. Dieses Buch spielt mit dem, was wir von einem Urlaub mitnehmen würden. Es ist spannend zu sehen, wie leichtfüßig Janne Mommsen über ein scheinbar ernstes Thema schreiben kann und Charaktere schafft, die so lebendig werden, als würden sie direkt aus unserem Leben stammen.
Über Janne Mommsen
„Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen schreibt er überwiegend Drehbücher und Theaterstücke. Mommsen hat in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen. Passenderweise lebt die Familie seiner Frau seit Jahrhunderten auf der Insel Föhr.“(Rowohlt)
Fazit zu „Die Bücherinsel“ von Janne Mommsen
„Die Bücherinsel“ von Janne Mommsen ist ein Urlaubsroman, der jedoch nicht nur durch seine Entspannungscharaktere überzeugen kann, sondern tatsächlich das gewisse Extra bietet. Diesen Roman kann ich uneingeschränkt empfehlen, vorausgesetzt ihr habt den ersten Teil auch gelesen, denn sollte die den ersten Teil nicht gelesen haben, ruinierte euch ein paar Pointen, wenn ihr dann später doch zu diesem Buch greift.