Wer sich mit den Büchern von Jodi Picoult beschäftigt hat, der weiß, dass Jodi Picoult in ihren Romanen sehr stark auf Beziehungen eingeht und sich ihre Romane dabei zumeist um eine Familie drehen. Auch im neuen Roman von Jodi Picoult geht es um eine Mutter-Tochter-Beziehung. Dieses Buch wirft somit gleich zwei Fragen auf, die eigentlich wenig mit dem Buch oder der Geschichte selbst zu tun haben. Zum einen wäre da das Thema, „Die Mutterrolle in Gesellschaft und Literatur“, zum anderen aber auch die Frage, warum die Mutter in so vielen Büchern und auch genreübergreifend eine derart wichtige Rolle spielt.
Dieser Artikel wird somit also keine klassische Rezension.
1. Die Rolle der Mutter in Gesellschaft und Literatur
Nun, betrachtet man die Rolle der Mutter in Gesellschaft und Literatur, so dürfte auffallen, dass sie sich seit den Fünfzigerjahren kontinuierlich und unaufhaltsam geändert hat, galt die Mutter früher als den Haushalt machend und die Familie zusammenhaltend, womöglich sogar als Mittelpunkt der Familie, gibt es heute sogar Business-Frauen, die Mutter werden.
Betrachtet man das Frauenbild von früher und heute hat es den gleichen Wandel durchlaufen. Heute besteht die Rolle der Frau nicht mehr nur darin, den Haushalt zu führen, die Familie zusammenzuhalten und dem man den Rücken zu stärken, vielmehr haben Frauen heute ein Recht auf eine eigene Karriere. Eine Karriere, die sowohl in typisch femininen Berufen und Bereichen als auch in maskulinen Bereichen stattfinden kann.
Frauenbild im Wandel
Natürlich gibt es immer noch nicht so viele Frauen in der Chefetage, hier ist es immer noch zumeist eine Männerdomäne, aber es werden mehr und die Frauen, die heute in diese Position kommen, sind zum Teil auch Mutter, obwohl das noch seltener vorkommt als eine Frau in der Chefetage.
Früher hieß es „Kind oder Karriere“, heute heißt es „Kind UND Karriere“. Ein auf den ersten Blick kleiner Unterschied mit einer großen Wirkung. Einer Wirkung, die Gesellschaft unaufhörlich verändern und verschieben wird und die sich heutzutage auch schon in der Literatur findet.
Heute findet man in Büchern neben den scharfen Heldinnen, die schon seit jeher den historischen Büchern zugrunde liegen und die es irgendwie geschafft haben selbst in schwierigsten Zeiten ihren eigenen Weg zu finden, auch die realistischen Beschreibungen von Mutterschaft, von Stress, Karriere und Kind. Ob es nun in Büchern wie jenen von Jodi Picoult ist oder in einem vergleichsweise leichten Roman, ist aber erst einmal irrelevant.
Fakt ist die Beziehung zwischen Kindern und ihren Müttern hat sich verändert und ist heute mit deutlich mehr Konflikten aufgeladen als früher, scheint es, doch ob dies tatsächlich der Fall ist, kann, glaube ich, niemand so recht beantworten, da Fassade und Wirklichkeit auch sehr unterschiedlich wahrgenommen werden können.
Im Fall von Jodi Picaults „Die Spuren meiner Mutter“ folgt die 13-jährige Jenna den Spuren ihrer vor zehn Jahren verschwundenen Mutter und begibt sich somit auf eine spannende Reise auf der Suche nach ihrer Identität.
Somit bekommt man tatsächlich schon einen Anhaltspunkt davon, was die Aufgabe einer Mutter in der Gesellschaft ist. Eine Mutter oder auch ein Vater schafft Identität. In Büchern hingegen hat die Mutter zumeist noch eine andere Aufgabe, sie hütet und behütet. In den allermeisten Fällen hütet sie ein Familiengeheimnis, das so über die Jahre nie ans Licht kommen darf und wenn doch, dann würde es zu einem großen Chaos kommen. Oft jedoch kommt das besagte Familiengeheimnis ans Licht und dann folgt der große Knall und das Chaos am Ende ist meist gar nicht so groß, wie zunächst gedacht.
Verschiedene Rollen
Dann jedoch gibt es auch noch die behütende Mutter, die sehr an dem Wohl ihrer Kinder interessiert ist, und somit insbesondere in der Literatur zu einem Problem führt, denn sie steht dem Abenteuer vieler Bücher im Wege, ist ein Hindernis für den Protagonisten oder etwas Vergleichbares.
Im Fall von „Die Spuren meiner Mutter“ ist die Rolle der Mutter noch einmal etwas spezieller, denn sie ist effektiv abwesend, seit über zehn Jahren und niemand weiß genau, was ihr zugestoßen ist. Das alles ist ein wenig mysteriös, rätselhaft. Um zu verstehen, worum es eigentlich geht, müsste man eigentlich das gesamte Buch lesen, da reicht ein Klappentext nicht aus. Dennoch möchte ich Euch an dieser Stelle besagten Klappentext präsentieren.
2. Klappentext
„Die dreizehnjährige Jenna sucht ihre Mutter. Alice Metcalf verschwand zehn Jahre zuvor spurlos nach einem tragischen Vorfall im Elefantenreservat von New Hampshire, bei dem eine Tierpflegerin ums Leben kam. Nachdem Jenna schon alle Vermisstenportale im Internet durchsucht hat, wendet sie sich in ihrer Verzweiflung an die Wahrsagerin Serenity. Diese hat als Medium der Polizei beim Aufspüren von vermissten Personen geholfen, bis sie glaubte, ihre Gabe verloren zu haben. Zusammen machen sie den abgehalfterten Privatdetektiv Virgil ausfindig, der damals als Ermittler mit dem Fall der verschwundenen Elefantenforscherin Alice befasst war. Mithilfe von Alices Tagebuch, den damaligen Polizeiakten und Serenitys übersinnlichen Fähigkeiten begibt sich das kuriose Trio auf eine spannende und tief bewegende Spurensuche – mit verblüffender Auflösung.“ (Quelle: Randomhouse.de)
3. Originell aber anders
So könnte man dieses Buch mit wenigen Worten beschreiben, doch das würde diesem Buch nicht gerecht werden, weswegen ich mich an dieser Stelle auch nicht an einer Rezension versuche, stattdessen möchte ich weiter über die Rolle der Mutter in der Literatur nachdenken und widme mich der Frage, warum bietet sie sich in so vielen Büchern als Haupt- oder Nebenfigur an?
3. Mutter – eine Figur mit Konfliktpotenzial
Nun in den allermeisten Büchern ist die Mutter eine Figur, die entweder eine Nebenfigur ist, aus dem Hintergrund eine wichtige Rolle spielt oder für eine andere Hauptfigur ein Konfliktpotenzial darstellt. Schon im echten Leben reiben sich Menschen an Elternteilen auf, spätestens mit Beginn der Pubertät, der Adoleszenz oder der Ablösezeit beginnt ein Abnabelungsprozess und ein jeder steht irgendwo auf den eigenen Beinen mehr oder weniger großen Erfolg.
In Büchern ist dieser Konflikt auf wenigen Seiten zwischen zwei Buchdeckeln gefasst. Das heißt, die einzelnen Konfliktpotenziale und Konfliktherde schwelen nicht nur, sie brechen innerhalb kürzester Zeit auf. Genau aus diesem Grund ist die Mutter als Figur wohl auch so beliebt.
4. Die wandelbarste Figur
Die Protagonistin, welche die Rolle der Mutter innehat, kann völlig anders aussehen als in einem anderen Buch und doch kann sie Mutter sein. Somit hat gleich eine ganze Reihe neuer Konflikte, dass sich ihre Rolle womöglich verschoben hat. Kippt die Protagonistin in irgendeiner Weise um und erscheint schwach, kann sie durch die Mutterrolle aus der langweiligen Position in die interessanteste Figur des ganzen Buches verhandelt werden.
5. Die Spuren meiner Mutter: viele Geschichten wandelnder Perspektiven
Die Geschichte die Jodi Picoult erzählt ist eigentlich eine Vielzahl von Geschichten mit einer Vielzahl von möglichen Perspektiven und jeder einzelne Perspektive bietet andere Sichtweisen auch auf die Rolle der Mutter. Am spannendsten in diesem Buch sind für meine Fragestellung eigentlich die Rolle von Jenna und ihrer Mutter Alice, denn die eine weiß ganz genau, wo sie sich befindet und was passiert ist, und die andere begibt sich eigentlich auf ihre Fährte. Sie liest Tagebucheinträge, Polizeiakten und spricht mit Menschen, die mit dem Verschwinden ihrer Mutter in Verbindung standen.
Niemand mit Ausnahme von Alice weiß, was passiert ist. Dennoch tut sie sich schwer damit dem Leser irgendetwas zu verraten, sodass er stückweise immer neue Details erfährt und so tappt der Leser ebenso im Dunkeln wie Jenna.
6. Die abwesende Mutter
Was veranlasst eine Mutter dazu ihr Kind allein zurückzulassen oder es zu verlassen und Verwandten und Bekannten zu überlassen das eigene Kind zu versorgen. Nun, diese Frage gibt es auch im echten Leben, und ist eine Parallele zu diesem Buch. Die Frage warum Alice die dreijährige Jenna damals zurückließ, möchte ich an dieser Stelle nicht beantworten. Damit würde ich Euch den ganzen Fall auf dem Silbertablett präsentieren. Dann würde Euch das Buch am Ende gar nicht mehr gefallen.
7. Nicht nur thematisch interessant
Deshalb sage ich nicht viel mehr, als dass es sich lohnt, ein Blick in dieses Buch hinein zu werfen. Es bietet nämlich so viel mehr als nur eine Geschichte zwischen Mutter und Tochter. Tatsächlich ist es keine klassische Familiengeschichte, denn sie ist irgendwie anders und doch ist sie natürlich eine Familiengeschichte. Eine Familiengeschichte mit Abenteuercharakter, Elementen des Spannungsromans (kein Krimi!) Und noch einiges mehr.
Schon in ihren früheren Büchern zeigte sich, dass Jodi Picoult eigentlich alle schreiben kann. In all ihren Büchern kann sie vor allem auch eins unterhalten. In vielen ihrer Bücher regen ihr Stil und die Art und Weise, wie sie ihre Geschichten erzählt, den Leser zum Nachdenken an. Das ist auch bei diesem Buch wieder mal nicht anders.
8. Die Autorin
„Jodi Picoult, geboren 1967 in New York, studierte in Princeton und Harvard. Seit 1992 schrieb sie mehr als zwanzig Romane, von denen viele Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste waren. Die Autorin wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, wie etwa 2003 mit dem renommierten New England Book Award. Picoult lebt mit ihrem Mann, drei Kindern und zahlreichen Tieren in Hanover, New Hampshire. „Die Spuren meiner Mutter“ ist nach dem Weltbestseller „Bis ans Ende der Geschichte“ ihr zweiter Roman bei C. Bertelsmann.“ (Quelle: Randomhouse.de)
9. Die Rolle der Mutter in der Literatur: ein Fazit
In vielen Büchern kommt die Mutter als Figur mit mehr oder weniger starker Ausprägung und Orientierung auf ihre Mutterrolle vor.
Es gibt sicherlich viele Bücher, in denen dieser Archetyp eine Rolle spielt. Trotzdem gehört sie mit zu den am wandlungsfähigsten Figuren, die man sich vorstellen kann. Denn die Mutterrolle bedeutet zwar eine Handvoll Charakterzüge. Gleichzeitig ist sie ist jedoch mit diejenige Figur, die am wandlungsfähigsten erscheint. Nicht zuletzt, da sie nicht oder nicht immer alleine daherkommt. Die Mutterrolle bedeutet lediglich die Anwesenheit von Charakterzügen, nicht jedoch die Abwesenheit von weiteren Merkmalen.
10. Über diese Aktion
Auf der Hauptseite zu unserer Aktion erfahrt ihr natürlich mehr über diese Aktion. Außerdem findet ihr dort eine Beitragsübersicht:
- Sabine Ibing – 17.02.2017
- Ira Ebner – 18.02.2017
- Angela Gaede – 19.02.2017
- Manuela –20.02.2017 bloggt auch auch hier
- Marie – 21.02.2017
- Ulrike Blatter – 22.02.2017
- Tim Pröse – 23.02.2017
- Else Laudan – 24.02.2017
Ulrike Blatter
Hier als Gastbeitrag nachzulesen – und alle weiteren Rezensionen dieser Blogparade ebenfalls 😉 https://ulrikeblatter.wordpress.com/2017/02/21/tag-5-der-blogparade-starkefrauen-mutterrolle-im-wandel-die-spuren-meiner-mutter/