Als ich davon hörte, dass Vincent Kliesch mit „Auris“ eine Roman-Idee von Sebastian Fitzek umsetzte, staunte ich nicht schlecht, freute mich aber sehr. Schließlich hatte mich Vincent Kliesch auch mit seiner vorangegangen Trilogie um Tassilo und der Duologie um Boesherz überzeugt. Dieses Mal gibt es jedoch gleich zwei ungewöhnliche Hauptprotagonisten. Jula, die True-Crime-Podcasterin, die einst selbst vergewaltigt wurde, aber nicht an die Schuld ihres Bruders glaubt, und einen akustischen Forensiker mit Namen Matthias Hegel, der infolge des Mordes an einer Frau zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.
Die Ausgangssituation
Jula glaubt nicht an Hegels Schuld und setzt alles daran, den wahren Täter ausfindig zu machen und zu überführen, doch Hegel selbst hat keinerlei Ambitionen ihr bei der Aufklärung seines Falles zu helfen. Dabei schweigt er sich sogar über die Abläufe aus, die zu diesem Mord geführt haben. Nach und nach setzt Jula aber selbst das Puzzle zusammen, welches ganz andere Perspektiven auf den Fall Hegel zulässt. In dubio pro reo heißt es schließlich nicht nur in den Fällen und überhaupt was hat Hegel eigentlich dagegen, dass sie seinen Fall in ihrem Podcast vorstellt? Dieser Fall gibt Jula nicht nur aufgrund des merkwürdigen Verhaltens Hegels Rätsel auf.
„Auris“ von Vincent Kliesch: Eine erfrischend andere Idee
Fragt man sich zunächst, worum es in diesem Buch eigentlich geht, ist man nach den ersten Kapiteln von dem Buch gefangen genommen worden und kann es de facto nicht aus der Hand legen. Ich selbst habe bereits vor einiger Zeit einmal ein Buch über die akustische Forensik gelesen. Es war damals ein Jugendthriller, der mich ebenso sehr verblüfft hat.
Die Vorstellung über sprachliche Merkmale, Täter zu identifizieren, fasziniert mich und bietet gleichzeitig das Potenzial mich als Leser bei Laune zu halten. Allerdings sind diese Krimis und Thriller, in denen es um die auditive Wahrnehmung geht, heute noch verhältnismäßig selten, sodass ich zugeben muss, es ist eine erfrischend andere Idee.
Mir persönlich macht diese Idee aber vor allem auch deshalb Spaß, weil sie weniger vorhersehbar ist. Ich persönlich bin immer ein wenig skeptisch, wenn es um einen Thriller geht. Viel zu oft habe ich den Täter schon früh enttarnt. Im Fall von „Auris“ ist es jedoch anders, denn hier werden die Hinweise erst nach und nach offensichtlicher und der Vorspann steht ein wenig außen vor, sodass ich befürchten muss, zunächst keinen Zusammenhang zur Geschichte von Hegel zu sehen. Es zeigt Hegel nämlich in seinem Beruf, als akustischer Forensiker.
Die menschliche Akustik und das absolute Gehör
Menschen, die früh angefangen haben, sich mit Tönen zu beschäftigen, entwickeln möglicherweise ein absolutes Gehör. Meist sind es Kinder, bei denen diese Besonderheit auffällt. Musisch ausgebildet zeichnen sich diese Kinder dann dadurch aus, dass sie die Töne nur anhand ihres Klanges erkennen und zuordnen. Ein solches Wunderkind muss auch Hegel gewesen sein. Denn später wird er von seinen Kollegen nur „Auris“ oder „das Ohr“ genannt.
Insgesamt gibt es nur eine Hand voll Menschen, die sich tatsächlich in die akustische Forensik hineinwagen. Es ist also eine seltene Spezialisierung, die aber tatsächlich ihre Berechtigung hat. Ein akustischer Forensiker verlässt sich dabei zu 100 % auf sein Gehör und hört neben dem, was jeder hört, auch noch ein paar Besonderheiten heraus. Zum Beispiel so etwas wie ein leichter und somit leicht zu überhörender Dialekt, eine leichte Unregelmäßigkeit in der Atemfrequenz, spezielle Ausdrücke etc. All das hilft dem akustischen Forensiker dann dabei sich dem Fall offensiv zu nähern.
Der Stil dieses Buches
Die Besonderheit dieses Buches, dass die Idee von einem anderen Autor stammt, macht dieses Projekt speziell. Die Tatsache, dass Sebastian Fitzek selbst auch an der Umsetzung mitgewirkt hat, lässt sich im Verlauf des Buches erkennen, sofern man beide Autoren kennt. Der Stil dieses Buches weicht nämlich von den bereits bekannten Aspekten deutlich ab vom Stil her ist weder eindeutig Vincent Kliesch noch eindeutig Sebastian Fitzek zu erkennen.
Dieses Buch ist irgendetwas dazwischen, etwas das man vermeintlich als einen ganz neuen Autor interpretieren würde, wenn man davon absieht, dass beide Autoren auf dem Cover erwähnt werden. Mit seiner sprachlichen Genauigkeit überzeugt es ebenso sehr wie mit den vielen liebevollen Details, die man der Geschichte so vielleicht gar nicht zutrauen würde.
Ist es die Wahl der Worte, die dieses Buch derartig speziell erscheinen lässt? Nun, vielleicht trägt die Wahl der Worte dazu bei. Doch wirklich speziell ist diese Mischung des Stils, die technisch und online-affin erscheint, aber eben doch nicht so abgehoben, dass man sich in diesem Buch nicht wiederfinden kann. Jeder Leser mit einem gewissen technischen Interesse wird an diesem Buch seine helle Freude haben.
Handlung eher etwas für die lesenden Männer?
Aufgrund seines Bezuges zur Technik scheint die Handlung eher etwas für einen männlichen Leser zu sein, sagt an dieser Stelle eine Vielleserin, die technisch interessiert ist. Tatsächlich jedoch muss man das technische Interesse voraussetzen, ehe man sagen kann, für wen dieses Buch optimal geeignet ist.
Mir persönlich ist dabei egal, ob „Auris“ sich eher an einen männlichen oder einen weiblichen Leser richtet. Wichtig ist, dass ich mich mit dem Buch und seiner Handlung identifizieren kann. Setze ich also voraus, dass das technische Interesse tatsächlich bei Männern vorliegt, so müsste ich sagen, dass die Handlung eher etwas für Männer ist, die schon einmal zu einem guten Buch greifen wollen.
Über den Autor Vincent Kliesch
„„Vincent Kliesch wurde in Berlin-Zehlendorf geboren, wo er bis heute lebt. Im Jahre 2010 startete er mit dem Bestseller »Die Reinheit des Todes« seine erste erfolgreiche Thriller-Serie, weitere folgten. Mit »Auris« schrieb er den Roman zu einer Hörspiel-Idee seines Freundes Sebastian Fitzek.“(Droemer Knaur)
Über den Ideengeber Sebastian Fitzek
„„Sebastian Fitzek, geboren 1971, ist Deutschlands erfolgreichster Autor von Psychothrillern. Seit seinem Debüt „Die Therapie“(2006) ist er mit allen Romanen ganz oben auf den Bestsellerlisten zu finden. Mittlerweile werden seine Bücher in vierundzwanzig Sprachen übersetzt und sind Vorlage für internationale Kinoverfilmungen und Theateradaptionen. Als erster deutscher Autor wurde Sebastian Fitzek mit dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet. Er lebt in Berlin.“(Droemer Knaur)
Fazit zu „Auris“ von Vincent Kliesch
Dieses Buch ist ein echter Pageturner und in seiner Spannung eine echte Überraschung. Sofern man dieses Buch einmal zur Hand nimmt, kann man nicht mehr aufhören, es zu lesen. Spannend ist dabei nicht nur der Fall selbst, sondern auch die Ermittlungsweise, denn kleinste stimmliche Abweichungen reichen aus, um einen Täter zu identifizieren.
Mir persönlich hat „Auris“ sehr viel Spaß gemacht und ich freue mich darauf, dass es offenbar auch eine Fortsetzung geben wird. Sie erscheint im Mai 2020.
No Responses