Wer, wie ich, die Bücher vom Kopfkino Verlag bereits kennt, der weiß, dass es sich hierbei um kurze, knackige Geschichten handelt, bei denen es zumeist um eine kurze abgrenzungsscharfe Geschichte geht. Und genau das erwarte ich dieses Mal nicht. Doch bei dem aktuellen Werk von Kai Rohlinger war es anders. Statt wie sonst eine Rahmenhandlung zu haben, war hier die Hauptfigur, Aulus Marcius Celer, der Antreiber.
Ganz ähnlich hatte ich auch erwartet, denn es handelt sich bei dem Buch »Herr über Land und Meer« um einen historischen Roman. Nun ist es so, dass historische Romane zumeist eine Länge von mindestens 400 Seiten haben.
Konnte der Kopfkino Verlag hier wirklich mithalten?
Ja, er konnte. Und wie er konnte. Innerhalb von kürzester Zeit war ich von einer Geschichte gefangen genommen, die schnörkellos von einer Abenteuerlust erzählt, die für die Zeit in der er spielt, typisch war. Auch sprachlich hat sich der Autor exakt an jener Zeit orientiert und es so geschafft auch in weniger als besagten 400 Seiten eine entsprechende Atmosphäre aufzubauen und die Handlung in den Mittelpunkt zu stellen.
Doch worum geht es eigentlich bei „Herr über Land und Meer“?
Zunächst einmal ist die Geschichte aus einer ungewöhnlichen Perspektive in einer ungewöhnlichen Zeit geschrieben. Es handelt sich um die ich-Perspektive und die Geschichte spielt 39 nach Christus. Der handelnde Protagonist erzählt rückblickend aus seinem Leben und zieht aufgrund dieses Rückblicks auch Verbindungen, die man so in einer anderen Perspektive nicht hätte erzählen können. Der Erzähler, Aulus Marcius Celer, oder auch Secundus, ist ein Bote, der einen durchaus gefährlichen Job für den Kaiser Gaius, besser bekannt als Caligula, angenommen hat. Er ist jedoch kein Sklave, sondern eigentlich ein freier Bürger und hat somit Privilegien, die andere Boten in der Position nicht hätten.
Worum es in der Geschichte nun aber konkret geht, ist der Wandel, von Aulus Marcius Celer zu Secundus. Das Leben des Boten war nämlich alles andere als gewöhnlich und gefahrlos. Viel mehr verliebte er sich zunächst in eine Frau und nahm dann einen Auftrag an, der gefährlicher und bedrohlicher war als alles, was er bislang erlebt hatte. Doch ich möchte an dieser Stelle keinesfalls zu viel davon erzählen, worum es in dem historischen Abenteuer genau geht. Vielmehr möchte ich mich auf die Merkmale konzentrieren, welche die Bücher des Kopfkino Verlags auszeichnet.
Die Charaktere
Zum einen gibt es scharf gezeichnete Charaktere, die mit ihren individuellen Eigenschaften zum Fortgang der Geschichte beitragen. Konkret habe bei diesem Kurzroman einen Protagonisten, der die Rolle der Hauptfigur einnimmt. Andere Protagonisten, wie Valeria und Gaius beziehungsweise Caligula, nehmen jedoch starke Nebenfiguren ein.
Die Erzählform
Auch die Erzählform ist bei den Kopfkino Büchern immer ein wenig speziell, da sie seelisch ist. In diesem Fall jedoch ist sie noch ein wenig spezieller, denn „Herr über Land und Meer“ weicht deutlich vom szenischen Ablauf ab. Bei diesem Buch hat man mehr das Gefühl, als erzähle der Protagonist dem Leser die Geschichte. Ich könnte mir dieses Buch exzellent als Hörbuch vorstellen, mit einem männlichen Sprecher. Der Grund dafür ist einfach, denn der Protagonist und Erzähler sind identisch und richten sich konkret an an einen imaginären Dritten, der jedoch selbst nicht auftritt, also den Leser signalisiert. In Theaterstücken gibt es manchmal Monologe, seltener jedoch Dialoge mit dem Publikum. Genau ein Solcher ist es aber, denn der Protagonist Aulus Marcius Celer richtet sich mit jeder Aussage an den Rezipienten, also jenen, der die Geschichte liest. Die Tatsache, dass die Erzählung selbst ohne Kapitel auskommt, macht es dem Leser leicht, dieser Erzählung zu folgen gleichzeitig gibt es ihm jedoch nicht die Möglichkeit, zwischendurch eine Pause zu machen.
Gut, bei 78 Seiten macht das nicht unbedingt viel aus, denn diese kann man durchaus in anderthalb Stunden gelesen haben und doch ist es eine andere Art des Lesens. Es ist eine andere Art die Geschichte aufzunehmen.
Hier profitiert die Geschichte sogar von der Kürze, denn einem Erzähler, der die Handlung aus seiner Perspektive schildert, ist leicht zu folgen, wenn er lebhaft erzählt. Kai Rohlinger erzählt die Geschichte in etwa so, als würde Aulus Marcius Celer seine Geschichte nach dem erfolgreichen Abenteuer auf einer Dorffeier erzählen, wobei die Stimmung durchaus etwas anders ist. Vielleicht ähnelt sie doch eher einem Gespräch mit einem guten Freund, einer vertrauten Person, die er jedoch erst nach dem Abenteuer kennenlernte und die nicht zugegen war, während er seiner Wege ging. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es jetzt als Dorffeier oder als vertrauliches Gespräch einstufen soll, denn es ist eine gelungene Mischung aus beidem.
Erinnert an Asterix und Obelix
Wären Asterix und Obelix Geschichten aus der Perspektive Tiefe eines Protagonisten geschrieben, dann könnte es durchaus ähnlich erzählt sein. Nein, ich möchte hier nicht den Vergleich anstellen, was wäre wenn und überhaupt, sondern vielmehr möchte ich darauf hinweisen, dass die Atmosphäre vermutlich aufgrund der Begebenheiten der Zeit und des Spielortes ein wenig an Asterix und Obelix erinnern.
Über den Autor
Kai Rohlinger wurde 1977 in Mannheim geboren. Er ist Gymnasiallehrer für die Fächer Latein und Deutsch. Als Autor verfasst er am liebsten kurze Prosatexte, von denen einige in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht wurden. Im Oktober 2017 erschien sein Buch »Wie der Hund in die Heizung kam«, eine Sammlung von Geschichten über das Leben im Römischen Reich. In »Herr über Land und Meer« befasst er sich abermals mit einem spannenden Ereignis aus dieser Epoche. Kai Rohlinger tritt auch als Rezitator klassischer Balladen und Gedichte auf.
Ein Bonus
Neben „Herr über Land und Meer“ gibt es in diesem kleinen Büchlein eine weitere Geschichte, die noch kürzer ist als die klassische Kurzgeschichte. Es handelt sich dabei um „Das Geistermahl. Diese Geschichte unterscheidet sich in ihrer Atmosphäre und in ihrer Erzählform deutlich von „Herr über Land und Meer“, ist aber ebenso lesenswert.
Fazit
Ein ungewöhnliches, abenteuerliches aber überaus lesenswertes Buch, das in der Zeit der alten Römer spielt. Wer ungewöhnliche Bücher mag, wird an diesem Buch seine helle Freude haben. Aber auch für Freunde des Abenteuers dürfte dieses Buch perfekt sein.