„Coco Chanel: Paris der 1920er und das bewegte Leben einer Modeikone“ von Nadine Sieger ist eine Romanbiografie. Das heißt, dass zwar das Leben der Modeikone Coco Chanel skizziert wird, die einzelnen Szenen und Dialog sich aber nicht exakt so zugetragen haben müssen.
Lohnt es sich dennoch die Romanbiografie zu lesen? Aber natürlich, denn diese Romanbiografie bietet trotzdem eine Menge Einblicke in das echte Leben der einstigen Ikone. Denn Coco Chanel war eine Frau, die aufgrund ihrer unternehmerischen Qualitäten aus der Zeit fiel und hinsichtlich ihrer zahlreichen Affären und Beziehungen doch eine Frau ihrer Zeit war, denn eines wurde sie nie: privat glücklich.
Mit jeder gescheiterten Beziehung jedoch wurde sie als Unternehmerin erfolgreicher, bis das Weltunternehmen Chanel so groß und stabil war, dass kein Weg an ihm vorbei führte. Coco hatte Macht, Einfluss und ebenso mächtige, einflussreiche Freunde, die häufig nicht unumstritten waren.
Wer ist Coco Chanel?
An dieser Stelle könnte ich nun ausführen, dass sie eines der beliebtesten und bekanntesten Modelabels gründete, und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den mächtigsten Frauen gehörte. Doch darum soll es an dieser Stelle gar nicht gehen, denn Coco Chanel war noch etwas anderes.
Sie war innerlich zerrissen, stetig auf der Suche nach der Liebe ihres Lebens, nach einem Kandidaten zum Heiraten. Der einzige echte Wunsch, neben ihrem Streben nach Unabhängigkeit, und doch unerfüllt. Einmal war Coco verlobt, da war sie bereits 50 Jahre alt und hatte einen Weltruf, den sie sich selbst erarbeitet hatte.
Coco Chanel: Innerlich zerrissen und doch zielstrebig
Als Frau, die aus einem Waisenhaus stammte, weil ihre Eltern früh verstorben waren, hatte sie nie gelernt, wie wichtig der Respekt vor sich selbst ist, so kämpfte sie stets um die Anerkennung der anderen und darum mächtiger zu werden, was sicher auch der Grund, warum sie sich bereits mit Anfang 20 an eine steile Karriere wagte.
Sie wollte nichts Anderes als respektiert werden; vergessen machen, was in ihrer Kindheit geschah und doch zeigte sie in ihren Entwürfen stets, dass sie eben diese Vergangenheit hatte und durch sie geprägt wurde. Ihre Entwürfe waren zumeist schlicht und schnörkellos. Ihre Schnitte meist geradlinig, maskulin in ihrer Grundlage und doch feminin in ihrer Ausgestaltung.
Farblich meist ebenso einfach gehalten; am bekanntesten wohl das kleine Schwarze, dass jede Frau, nach Meinung von Coco Chanel, im Schrank haben sollte, erschienen ihre Entwürfe meist einfach. Doch besaßen sie die kreative Note einer Frau, die mit jeder neuen Erfahrung neue Kreativität besaß, die aus jeder neuen Liebe eine Muse werden ließ.
Scheinbar jeder ihrer Männer gab ihr das Potenzial, an sich selbst zu wachsen, indem er ihr einerseits Freiraum ließ, ihr aber gleichwohl das Selbstvertrauen gab, genau zu wissen, dass jemand da wäre, der sie auffangen würde, wenn sie scheiterte. Doch Chanel scheiterte nahezu nie, wurde mit jedem Mann stärker und genau das war es auch, was ihre Beziehungen so schwierig machte, denn hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau, aber nicht in der jeder starken Frau muss ein starker Mann stehen.
Viele ihrer Liebhaber konnten mit der selbstbewussten und freiheitsliebenden, kleinen und zierlichen Frau einfach nichts anfangen, sie nicht halten, ohne ihr die Flügel stutzen zu wollen und Coco liebte diese Freiheit so sehr, dass sie nicht drauf verzichten wollte.
So wurde sie mit jeder gescheiterten Beziehung stärker, selbstsicherer, aber eben auch einsamer, bis sie irgendwann in den 1930er Jahren an Männer geriet, die sie mit ihrer politischen Ambition einzunehmen versuchten, sie klein zu halten beabsichtigten und durch die sie fast ihr Unternehmen verloren hätte.
Mit dem Zweiten Weltkrieg entschied sie sich dann ihr Unternehmen aufzugeben, nur um nach dem Krieg und plötzlich allein, feststellen zu müssen, dass sie sich langweilte. Mit 70 baute sie dann ihr Unternehmen erneut auf und arbeitete täglich, mit Ausnahme des Sonntags in ihrem Atelier, konzentrierte sich darauf, sich selbst treu zu bleiben und blieb bei der Geradlinigkeit ihrer Entwürfe, die bis heute Teil ihrer Marke sind.
Die zwei Seiten einer Frau
In Coco Chanel zeigt sich eine gewisse Widersprüchlichkeit, die Nadine Sieger in dieser Romanbiografie in den einzelnen Szenen festzuhalten versuchte. Mit Erfolg, denn letztendlich hat man nach dem Lesen dieses Buches eine sehr genaue Vorstellung davon, wie Coco Chanel war: als Frau zart und weich, aber unnachgiebig, stur und launisch, als Unternehmerin zielstrebig, ehrgeizig und planvoll. Sie wusste genau was sie wollte und wie und durch wen, sie es erreichte.
Für Nadine Sieger war dies sicherlich keine leichte Recherche, ebenso wie es schwierig gewesen sein könnte, diese Widersprüchlichkeit so stark und eindrucksvoll herauszuarbeiten. Dennoch ist es ihr gelungen. Sie hat mit Worten ein Bild dieser Frau gemalt, das genau erklärt, was diese Ikone ausmachte und bewegte. Coco Chanel war keinesfalls unumstritten, ebenso wie ihre Freunde, aber sie hat es geschafft, sich einen Namen zu machen, der lange über ihren Tod hinaus bekannt ist und trägt.
Ein paar Worte zum Stil
Auf den ersten Blick fällt es schwer, den Stil der Nadine Sieger zu beschreiben, mit dem sie diese Romanbiografie mit szenischen, wie raffinierten Details erzählt. Dennoch ist es möglich, denn so, wie auch das Leben der Coco Chanel eine Achterbahn war, so lässt sich diese Achterbahn auch im stilistischen wieder finden. In der Art und Weise, wie sie das Leben der Coco Chanel erzählt, ist Nadine Sieger zwar überaus geradlinig, in ihren Dialogen aber oft nicht weniger zynisch, temperamentvoll, leidenschaftlich oder wütend wie die Frau, deren Geschichte sie erzählt.
Es gelingt ihr, die Stimmung der Coco Chanel ihre eigene gradlinige Erzählung miteinzuflechten. Eine Meisterleistung, die so das Lesen erleichterte, obwohl die Geschichte keinesfalls simpel war.
„Coco Chanel: Paris der 1920er und das bewegte Leben einer Modeikone“ von Nadine Sieger:Harte Kost
So eine Biografie galt mir bislang immer als unmöglich zu rezensieren, da ich das Leben einer Frau oder eines Mannes nicht bewerten möchte, so halte ich mich auch mit meiner Wertung über das Leben der Coco Chanel zurück. Denn wenn Coco glücklich mit ihrem Leben war, so weigere ich mich, zu behaupten, ich wäre es an ihrer Stelle nicht gewesen.
Dennoch ist eine Biografie immer vor den Eindrücken und Augen ihrer Zeit zu lesen, dass sie stets zu einer harten Kost macht, sowohl für den Leser, als mit Sicherheit auch für den Autoren.
Eine Romanbiografie ist dahingehend zwar etwas leichter, da die Szenen sich nicht exakt so zugetragen haben müssen, dennoch bleibt es dabei, dass die Irrungen und Wirrungen eines Lebens verfolgt werden müssen. Meiner Meinung nach ist Coco Chanel deshalb vor allem etwas für Leserinnen, die bereits mitten im Leben stehen, starke Frauen, die bereits eine Karriere gemacht haben und nun wissen wollen, was sie anders gemacht haben als die Modemacherin.
Möglicherweise ist auch etwas für jene Frauen, die am Anfang ihrer Karriere stehen und nicht wissen, welche Fallstricke es auf dem Weg nach oben geben kann, oder was es bedeutet Karriere zu machen. All das könnte diese Romanbiografie leisten, sofern es einem gelingt, die einzelnen Momente im Leben der Coco Chanel vor der Zeit zu betrachten, in der sie sich zugetragen haben. Heute ist es für Frauen sicherlich leichter, eine Arbeit nachzugehen, aber Stolpersteine und Fallstricke gibt es immer noch.
Über Nadine Sieger
„Eigentlich wollte sie höchstens ein Jahr bleiben, aber mittlerweile lebt Nadine Sieger schon seit 16 Jahren in New York. Hier spürt sie als US-Korrespondentin von ELLE und ELLE Decoration immer noch begeistert neue Trends, spannende Themen und inspirierende Menschen auf. Ihr Herz schlägt für Design, Mode und Fotografie, sie schrieb als Redakteurin und freie Autorin für viele Zeitschriften und verfasst Bücher.“ (Herder Verlag)
Fazit zu „Coco Chanel: Paris der 1920er und das bewegte Leben einer Modeikone“ von Nadine Sieger
„Coco Chanel: Paris der 1920er und das bewegte Leben einer Modeikone“ von Nadine Sieger ist ein Buch, das in seiner Schlichtheit an die Mode der Ikone Coco Chanel heranreicht, das aber gleichzeitig ebenso sprunghaft ist, wie die Meisterin selbst. Es ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss, dass man obwohl es nur 272 Seiten stark ist, mit Ruhe, Achtsamkeit und voller Aufmerksamkeit und Konzentration lesen sollte.
Es ist kein Buch, das unterhalten möchte, es ist kein Buch, dass die Mode dieser Schöpferin auf einen Thron hebt oder übertrieben lobt und doch ist ein Buch, war das Interesse für Mode ansieht, dem es aber vor allem darum geht eine starke und erfolgreiche Frau voller Widersprüche zu skizzieren.
"Coco Chanel: Paris der 1920er und das bewegte Leben einer Modeikone"
"Coco Chanel: Paris der 1920er und das bewegte Leben einer Modeikone" von Nadine Sieger ist eine Romanbiografie. Das heißt, dass zwar das Leben der Modeikone Coco Chanel skizziert wird, die einzelnen Szenen und Dialog sich aber nicht exakt so zugetragen haben müssen.
URL: https://www.herder.de/geschichte-politik-shop/coco-chanel-gebundene-ausgabe/c-34/p-13702/
Autor: Nadine Sieger
Autor: Nadine Sieger
ISBN: 978-3-451-38313-7
Veröffentlichungsdatum: 2018-09-17
Format: https://schema.org/Hardcover
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