… darin sieht Roger Willemsen seine Aufgabe. Mit seinem Buch „Es war einmal – oder nicht“ ist ihm genau dieses gelungen. Sicherlich ist es ein Buch bei dem viele, die nun meinen Blogbericht zur Lesung lesen, denken werden „Oh nein, das interessiert mich nicht. Das habe ich ja jeden Tag in den Nachrichten.“
Nein, diesen Gedanken möchte ich nicht kritisieren. Vielmehr bitte ich euch euren Blick ein wenig zu heben, um über den Tellerrand zu blicken.
Das was wir täglich im Fernsehen aus Afghanistan hören, ist mit einem westlichen Blick beschrieben. In seiner Lesung beschrieben Roger Willemsen und die Schauspielerin Barbara Auer, die den Kindern ihre Stimme lieh, nun aber nicht unseren westlichen Blick auf die Afghanen, sondern den, der Einheimischen auf ihre Welt.
Roger Willemsen, der das Material für dieses Buch gesammelt hat, ist seit viel Jahren Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins. Er bat in den Jahren seiner Arbeit immer wieder um Stellungnahmen und Bilder von Kindern und Frauen, die ihr persönliches Bild von Afghanistan beschreiben und zeigen sollten. Wie leben sie? Was ist ihnen wichtig? Welche Zukunftsperspektive sehen sie für sich, für ihr Leben?
Ich muss zugegeben, dass ich gestern nach der Lesung ein wenig zögerte, was den Lesungsbericht angeht. Ich wollte euch gerne von dem Buch und der Lesung erzählen, fürchtete jedoch, dass man die Inhalte, die Roger Willemsen vermittelte, nicht so weitergeben kann. Tatsächlich bin ich überzeugt davon, dass man Roger Willemsen und Barbara Auer live erlebt haben muss, wenn man sich ein echtes ungetrübtes Bild von Afghanistan machen möchte.
Die afghanische Kultur verdient es, dass man sich mit ihr beschäftigt. Sie ist bunt, herzlich, lebendig und ganz anders als das, was wir Tag für Tag in den Medien erfahren. Die afghanische Kultur ist durch die Kriege und durch das Eingreifen von außen zum Erliegen gekommen. Vom einst so liberalen Afghanistan ist nur noch der Schatten geblieben.
Nach all dem, was Roger Willemsen gestern erzählt hat, muss man sich fragen, was kommt nach dem Krieg. Ein neuer Krieg oder endlich das, was für uns in Deutschland selbstverständlich ist. Das Recht auf Bildung, auf Kultur, auf sauberes Trinkwasser, auf Spiel und Spaß und auf eine kindgerechte Kindheit. Wie kann es sein, dass Kinder Leichenteile von der Straße ziehen und zu einem Leichensack bringen, wo schon andere Leichenteile des Toten gesammelt sind, damit dieser intakt beerdigt werden kann? Ist das eine kindgerechte Aufgabe? Nein, die Aufgabe dieser Kinder müsste es sein, sich selbst zu entwickeln und einen Schulabschluss zu machen.
Tatsächlich sprach Roger Willemsen auch von der Notwendigkeit und dem Wunsch dieser Kinder, Jungen wie Mädchen, einen Schulabschluss zu machen und ihr Land voranzubringen. Genau das ist es auch, was die Kinder immer wieder in diesem Buch abbilden: ihren Wunsch nach Bildung, um ihrem Land zu dienen.
Ich selbst habe mich vor gar nicht all zu langer Zeit einmal mit dem Afghanistankrieg beschäftigt, nicht zuletzt deshalb fand ich diese Lesung auch spannend. Dennoch muss ich sagen, dass es Inhalte waren, die den Zuschauer nicht nur in ihren Bann ziehen, sondern ihn fordern und schlauchen.
Diese Lesung ist sicherlich nicht, wie die anderen Lesungen des „Erzählt!„-Literaturfestivals, aber sie war nicht minder intensiv und vielleicht ein wenig eindrücklicher als jeder fiktive Roman es sein kann. Denn eines dürfen wir nicht vergessen, Afghanistan ist real.
Wer sich nun wundert, an dieser Stelle keinen gewöhnlichen Bericht zur Lesung erhalten zu haben, der sollte sich fragen, ob ein Bericht, in dem steht, was jemand erzählt hat, diesem Buch gerecht wird. Fotos habe ich trotzdem gemacht. Ihr findet sie hier am Montag.