… die mich dieses Mal etwas länger beschäftigten konnte als die sonstigen Storys des Kopfkino Verlages. Dies lag vor allen Dingen daran, dass es sich um eine Sammlung von Novellen handelte. Genauer gesagt waren es drei kurze Geschichten, die allesamt in Irland spielten und mit der dortigen Mythologie und Atmosphäre eng verwurzelt waren. Jede dieser drei Geschichten dauert jeweils 90 Minuten. Beste Spielfilmdauer also.
Natürlich gibt es diese Anthologie auch in Form von drei Einzelbänden, aber wenn ich doch die Gelegenheit habe einzelne Geschichten mit ähnlicher Thematik zu lesen, lese ich sie auch gerne als Anthologie. Da mir in diesem Buch drei Geschichten präsentiert wurden, die unterschiedlicher nicht sein konnten und die vor allem auch unabhängig voneinander gelesen werden können und auch unabhängig voneinander zu kaufen sind, habe ich mir überlegt, sie auch unabhängig voneinander zu rezensieren, sie jedoch, da es sich um eine Anthologie handelt, in einer Rezension vorzustellen.
Die von mir gewählten Zwischenüberschriften entsprechen dabei dem Autor und Titel der jeweiligen Geschichte. Das abgebildete Cover entspricht jenem des Einzelbandes. Um euch nicht zu verwirren, stelle ich euch die Geschichten in jener Reihenfolge vor, wie sie in „Der Zauber Irlands“ abgedruckt sind. Für all jene, die einzelnen Geschichten noch nicht kennen ist die Anthologie perfekt, für jemanden, der vielleicht schon eine oder zwei Geschichten dieses Bandes kennt, könnte der Einzelband hingegen interessanter sein.
Tanja Bern: Distant Shore – Sterne der See
„Ben verliert seine Schwester Kristin an den Krebs. Vor ihrem Tod hatte sie für ihn heimlich einen Urlaub in ihrem geliebten Irland gebucht, weil sie ahnte, dass Ben dort zu sich selbst finden könne. Obwohl er keinen Bezug zu Irland hat, lässt er sich darauf ein und fährt nach Kerry. Dort begegnet er der Irin Hanna, zu der er sich sofort hingezogen fühlt. Aber sie verbirgt ein Geheimnis und hält Ben ein wenig auf Abstand, sucht aber auch seine Nähe. Ben verliebt sich in dieses wildromantische Land und verliert an Hanna sein Herz. Dann wird sie plötzlich vermisst, und Ben setzt alles daran sie zu finden …
Diese Geschichte spielt vorwiegend im County Kerry“
Diese Geschichte von Tanja Bern, eine Autorin, die ich zuvor nie gelesen hatte, beginnt recht traurig. Natürlich beginnt sie das, denn zu Beginn steht Kristin, die bereits vom Krebs schwer gezeichnet im Sterben liegt. Ihr Bruder Ben trauert und tut sich schwer über den Verlust der geliebten Schwester hinwegzukommen, doch sie hat bereits vor ihrem Tod eine Reise für ihn organisiert, eine Reise die sein Leben verändern wird. Was sich in der Inhaltsangabe etwas rührselig anhört, ist keinesfalls kitschig oder gar rührselig. Tatsächlich hat mir die Geschichte aus der Feder von Tanja Bern ausgesprochen gut gefallen, da sie es geschafft hat, den Leser auf eine Reise mitzunehmen. Eine Reise aus der Trauer zweier Personen, die unterschiedliche Geschichten erlebt haben und die doch vieles eint. Eine Geschichte, die mich hinsichtlich ihrer Kürze und Präzision mehr als einmal in ein ziemliches Gefühlschaos stürzte. Mittlerweile hat er schon mitbekommen, dass ich hin und wieder und insbesondere in stressigen Zeiten auch gerne meine Kurzgeschichte Leser. Die Kopfkino-Bücher habe ich dabei bisher immer als äußerst präzise, detailliert und atmosphärisch dicht erlebt. Dieses Buch bildet dabei keine Ausnahme, wo ich mir sicher bin, dass ich sagen kann es unterscheidet sich dennoch von jenen Büchern oder Geschichten, die ich bisher aus dem Kopfkino Verlag gelesen habe.
Bei dieser Geschichte beeindruckte mich allerdings weniger die atmosphärische Liebe zum Detail als vielmehr der Ausdruck einer komplexen Gefühlswelt, die so dicht war das man sagen könnte, der Leser erlebt den Wechsel von zu Tode betrübt in Richtung Himmel hochjauchzend innerhalb weniger Minuten. Tatsächlich erinnert dieser Wandel an die Filmwelt, wo sich im Verlauf des Films auch die Gefühle der Protagonisten innerhalb kürzester Zeit wahrnehmen können. Diesen Effekt sprachlich so gut in Worte fassen zu können ist sicherlich ein wichtiger Aspekt, der dieses Buch so lesenswert macht. Als ersten Teil der Anthologie fand ich es sehr gelungen, da es ein einerseits in die irische Landschaft entführt, andererseits aber aufgrund seiner Geschichte gut fesselt. Die Romantik kommt bei dieser Geschichte natürlich nicht zu kurz.
Pia Recht: Der Herzschlag Connemaras
„Als Projektleiter John Palfrey aus London ins hinterste Irland geschickt wird, um einer Zuchtstation für Wildponys auf den Zahn zu fühlen, kann der karrierebewusste Schreibtischhengst seinen Widerwillen gegen Land und Leute nicht verbergen. Doch gerade die scheinbar hinterwäldlerische Langsamkeit der Einheimischen verändert seinen Blick auf sich und sein bisheriges Leben. Der Herzschlag Connemaras öffnet ihm das seine für das Land und für eine schöne Frau. Als er jedoch aus London erfährt, dass die Station geschlossen werden soll, droht er alles wieder zu verlieren, was er unverhofft gefunden hatte …
Diese Geschichte spielt vorwiegend im County Galway“
Diese Geschichte ist so ganz anders, als die erste Geschichte in dieser Anthologie, es ist sachlicher, weniger romantisch, gleichzeitig jedoch voller Gefühl und gehört wohl auch einem anderen Genre an. Wobei ich noch nicht mal genau sagen könnte, welchem Genre ich es zuordnen würde, denn einerseits spielt eine ganze Menge Liebe eine Rolle, andererseits viel Alltägliches, darin aber auch eine gewisse Portion Drama. Dies war die Geschichte, die mich, obwohl ich sie interessant fand, emotional am wenigsten berührte. Ich weiß nicht, wie ich es euch beschreiben soll. Pia Recht, die Autorin dieses Buches, hat ganz andere Charaktere in ihrer Geschichte entwickelt als Tanja Bern in der vorherigen Geschichte.
„Der Herzschlag Connemaras“ greift diese Charaktere, die so viel nüchterner, sachlicher und distanzierter erscheinen auch im sprachlichen Stil auf, weswegen ich mir vorstellen könnte, dass diese Distanz, welche bei mir als Leser ankam, durchaus gewollt war. Ich möchte an dieser Stelle nicht sagen, dass mir die Geschichte nicht gefallen hat, in das wäre gelogen, eine ebenso große Lüge wäre aber zu sagen, diese Geschichte fesselt, denn gerade zu Beginn ist es etwas schwierig in die Welt von John Palfrey hinein zu finden, erst als er wieder den Zugang zu seinen Emotionen findet, beginnt die Geschichte emotionaler zu werden, bis sie schließlich dramatisch endet.
Ja, man könnte sagen, diese Geschichte ist im Rahmen dieser Anthologie ungewöhnlich, dennoch passt diese Geschichte in die Anthologie hinein. Sie ist nur ganz anders als ihre Nachbarn.
Thomas Dellenbusch: Liebe ist kein Gefühl
„Nina will ihren 39. Geburtstag nicht feiern. Stattdessen lässt sie sich ohne Plan oder Ziel durch die Stadt treiben. Sie glaubt, dass irgendwo da draußen etwas auf sie wartet. Ein Artikel in einer Zeitschrift, der die Liebe aus einem unerwarteten Blickwinkel heraus betrachtet, weckt ihre Neugierde. Das Titelbild zeigt den Verfasser, und sie erkennt etwas an ihm, das sie dazu verleitet, diesen Mann finden zu wollen. Es wird ein Trip, der sie weit weg führen wird. Sehr weit.
Diese Geschichte spielt vorwiegend im County Donegal“
Kommen wir zur dritten Geschichte. Hier dreht sich alles um Nina. Nina, die in einer Zeitschrift einen Aufsatz liest, Nina, die ihren 39. Geburtstag nicht feiern will, da er ihr nicht wichtig erscheint. Nina, die mit der Liebe abgeschlossen zu haben scheint, die nun völlig in ihrer Karriere aufgeht, und die an ihrem Geburtstag nun eine Überraschung erlebt und sich selbst auf eine überraschende Reise begibt.
Diese Geschichte überzeugte mich weniger durch Emotionalität oder Sachlichkeit, als vielmehr durch ihre philosophischen Aspekte. Ja, ich möchte sagen, auch diese Geschichte ist ihre Weise speziell. Ja, sie enthält mehr Emotionen als die vorangegangene Geschichte und grenzt sich doch so gänzlich von den ersten beiden ab. Bei dieser Geschichte, das möchte ich anmerken, fiel es mir schwer, sie mir als Spielfilm vorzustellen, da der Aufsatz in der Zeitschrift eine sehr große Rolle spielt und gleichzeitig die Handlung über einen gewissen Zeitraum stocken lässt, da die Protagonistin ihre Zeit ja mit lesen verbringt und der Leser mehr oder minder über ihre Schulter hinweg mitliest. Stellen wir uns diese Handlung als Szene in einem Film vor, so würde ein Sprecher aus dem Hintergrund vermutlich den Aufsatz mit lesen und dabei die Protagonistin auf einem Stuhl oder im Bus sitzend zeigen. All das würde die Geschwindigkeit des Films ein wenig herunterfahren. Gleichwohl ist aber diese Langsamkeit eine Entwicklung die das Buch auszeichnet, denn die Geschichte von Nina und dem Verfasser des Aufsatzes ist keine Geschichte, die von Geschwindigkeit lebt. Vielmehr lebt sie von einer bestimmten Philosophie, von einer Tiefe und einer Emotionalität, die mich überrascht hat.
Ich bin mir sicher, dass diese Geschichte nicht von jedem in dieser Form aufgenommen wird, dass sich jeder seine eigenen Gedanken machen kann und sie bei jedem Leser anders interpretiert wird aus diesem Grund kann ich nicht sagen, lest die Geschichte, da ich euch schlecht vorschreiben kann, sie zu lesen. Wenn ihr euch nicht für Philosophie interessiert, aber obwohl sie durchaus philosophische Bezüge hat ist sie lesenswert.
Was ist nun mit der Anthologie?
Nun, ob ich euch zu der Anthologie raten soll, hängt davon ab, ob ihr womöglich schon einzelne der hier vorgestellten Geschichten gelesen habt. Es hängt aber auch davon ab, was ihr normalerweise lest, denn dieser Anthologie ist eine Anthologie quer durch alle Genres. Man kann nicht dann ist es eine Anthologie des Krimis, des Dramas oder eine Anthologie voller Liebe. Vielmehr ist dieser Anthologie bunt gemischt, wie ein Frühlingsstrauß. Ob ihr sie also lesen möchtet, hängt davon ab, wie euch die einzelnen Geschichten gefallen und, ob ihr die benannten Genres normalerweise lest. Ich möchte an dieser Stelle bewusst euch die Entscheidung überlassen, ob ihr dieses Büchlein lesen möchtet oder nicht. Fakt ist jedoch, wer die einzelnen Genres liest, wird auch an diesem Werk seine Freude haben. Gleichzeitig bietet sich dieses Buch für all jene an, die sich vielleicht nicht ganz sicher sind, wie sie zu den einzelnen Genres stehen, denn die Geschichten, so unterschiedlich sie auch sein mögen sind perfekt um in die Genres hinein zu schnuppern.