Wenn man ein Buch liest, fragt man sich manchmal: Wer ist eigentlich die Person hinter dem Buch? Ich gebe die Frage nun weiter. Wer bist du? Was tust du, wenn du nicht gerade schreibst? Hast du Familie? Übst du noch einen Beruf aus?
Uli Aechtner: Ich habe zwei erwachsene Kinder, lebe mit meinem Mann zusammen und arbeite als freie Journalistin – und zwar meist von zu Hause aus. Ich sitze also in meiner Schreibstube, stöbere durchs www, telefoniere und schreibe. Und damit ich dabei nicht körperlich einroste, mähe ich zwischendrin mal rasch in meinen Garten den Rasen, walke meinen Hausfluss, die Nidda, entlang, radele zum nahen Biohof, oder ich gehe ins nah gelegene Fitnessstudio. Klingt vielleicht nicht sehr aufregend, aber ich lebe sehr „in meinem Kopf“. Abends treffe ich gern Nachbarn, Kollegen und Freunde, am Wochenende gehe ich in Museen oder ins Kino.
Wie kamst du eigentlich zum Schreiben?
Uli Aechtner: Als Kind habe ich meinem jüngeren Bruder Geschichten vorgelesen, während er mit seinem Märklin-Baukasten spielte. Irgendwann hatte ich unsere Kinderbücher mehrmals durch, und ich ging dazu über, die Geschichten frei zu erfinden. Ich erinnere mich an eine, in der wir mit acht anderen, real existierenden Kindern eine Stadt gründeten – mitten im Wald. In der vierten Klasse erfand ich ein Theaterstück und gab die Regisseurin. Ich weiß nicht mehr, was darin vorkam, ich glaube, es war ziemlich harmlos. Zu meinem Schrecken cancelte meine Mutter die Ur-Aufführung bei uns zu Hause, weil sie unerwartet Besuch bekam. Meine kleine Schauspieltruppe spielte mein Stück dann einfach im Wohnzimmer ihrer Eltern – ohne mich.
Gibt es eine Sache aus deinen Anfängen als Autor an die du dich gerne erinnerst, die du später eventuell deinen Enkeln erzählen würdest?
Uli Aechtner: Meine erste Lektorin war Dr. Gabriele Dietze vom Rotbuch Verlag Hamburg. Sie bestellte mich in Berlin ein und erklärte mir geschlagene vier Stunden lang minutiös, was an meinem Manu noch falsch war. Ich versank gerade in tiefe Depression, da meinte sie lachend, ich solle mir den Tag rot im Kalender anstreichen, ich hätte mein erstes Buch. Naja, das Buch hab ich dann quasi neu geschrieben.
Hast du schon Bücher veröffentlicht oder Geschichten? Welches war die erste Geschichte oder das erste Buch?
Uli Aechtner: Das war „Too much TV“, das Buch, von dem ich gerade erzählte. Ich hatte mich darin mit Erlebnissen aus meinem Alltag als Journalistin auseinandergesetzt, damals arbeitete ich bei einem Fernseh-Sender.
Wie lange dauerte es bis zur ersten Veröffentlichung? Welche Hürden gab es?
Uli Aechtner: Dafür, dass das Buch zwischen Kinder hüten und Job entstand, lief alles ziemlich glatt. Von der ersten Idee bis zum fertigen Buch dauerte es drei Jahre. Damals ging es auf dem Buchmarkt relativ entspannt zu, die Menschen lasen noch viel mehr, e-Books, Selfpublisher, etc., gab es noch nicht.
Den Alltag von Autoren stelle ich mir immer wahnsinnig spannend vor und ich glaube vielen Lesern meines Blogs geht es ähnlich. Vielleicht bringst du ja ein bisschen Realität in unsere Vorstellung: Wie ist es tatsächlich? Wie ist dein Tagesablauf typischerweise?
Uli Aechtner: In meinem Fall ist das ganz einfach: Ich schreibe eben den ganzen Tag. Meine Recherchen sind allerdings gelegentlich abenteuerlich. Für meinen Krimi Todesrauscher habe ich in einer Apfelweinkelterei Gärfässer besichtigt, die aus riesigen alten U-Boot-Druckkörpern bestanden. Ich habe den Kopf hineingesteckt, aber zum Reinklettern hat mein Mut nicht gereicht. Für Mordswetter habe ich ein Journalisten-Seminar beim Deutschen Wetterdienst in Offenbach mitgemacht. Sowas macht mir irren Spaß.
Hast du so etwas wie Schreib- oder Rechercherituale? Welche?
Uli Aechtner: Rituale brauche ich nicht, ich bin ein sehr pragmatischer Mensch. Wenn ich die Tastatur meines PCs vor mir sehe, geht es los – und das war’s.
Wo schreibst du besonders gerne? Und warum?
Uli Aechtner: Im Prinzip schreibe ich immer in meinem kleinen Büro – ganz einfach, weil es praktisch ist. Ich habe aber auch schon auf einem Campingplatz geschrieben, mit Kuli auf Papier und auf dem Bauch im Gras liegend.
Ja, ich weiß, bis hierher musstest du schon viele Fragen beantworten. Aber die Leser meines Blogs sind sicher sehr neugierig. Also kommen wir nun zum Thema Recherche. Wie gehst du üblicherweise vor?
Uli Aechtner: Zuerst lese ich einen Stapel Fachbücher, dann durchforste ich das www nach einschlägigen Beiträgen, ordne die Fakten, mache mir Notizen. Ich überlege, wen ich mal anrufen könnte: Betroffene, Augenzeugen, Fachleute. Für Mordswetter habe ich mit einem Bauern telefoniert, dessen Kühe vom Blitz erschlagen wurden, und mit einem Fotografen, der Gewitterfotos macht. Der nächste Gedanke ist dann: Was wäre ein toller Schauplatz, ein gutes Bild? Ich sehe gern Spielfilme und stelle mir meine Geschichten meist in Szenen vor.
Welche Quellen nutzt du? Wie findest du Ansprechpartner?
Uli Aechtner: Wenn mit ein guter Schauplatz einfällt, schaue ich mir den an. Je nachdem, was es ist, bitte ich um einen Besichtigungstermin. Die meisten Leute freuen sich über mein Interesse und helfen mir. „Tage der offenen Tür“ besuche ich oft „auf Vorrat“, also auch ohne an einer konkreten Geschichte zu sein. Im Polizeipräsidium Frankfurt traf ich dabei kürzlich sogar auf Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes und des Kampfmittelräumdienstes.
Wie schätzt du deine Verantwortung für eine korrekte und umfassende Recherche ein? Gibt es so etwas wie eine Verantwortung für den Leser?
Uli Aechtner: Auf jeden Fall. Aber Krimis sind ja Fiktion, und eine frei erfundene Handlung wird dabei schon mal mythisch überhöht, in eine andere Zeit verschoben oder sonstwie umgeformt. Es geht also mehr darum, dass die Message wahrhaftig sein muss. Figuren, Schauplätze und Handlungen sind oft – na ja, nicht völlig erfunden, aber doch „gestaltet“.
Wie verändert deine Recherche eine Figur im Buch? Gibt es Zusammenhänge?
Uli Aechtner: Viele Autorinnen und Autoren schreiben zuerst ihre Geschichte und recherchieren dann nach, ob die Fakten auch stimmen. Dagegen ist nichts zu sagen, man kann beim Schreiben wirklich alles vorwärts oder rückwärts erfinden. Da ich aber vom Journalismus her komme und gern recherchiere, findet bei mir die Recherche immer zuerst statt. Dann erst entsteht die Figur.
Nutzt du bei der Figurenplanung auch reale Vorbilder? Wer inspiriert dich zu neuen Figuren?
Uli Aechtner: Bei meinem allerersten Buch bin ich von realen Menschen ausgegangen. Damit sich niemand angegriffen oder verletzt fühlte, habe ich aber alle völlig verfremdet. So bekam eine Romanfigur z.B. Charakterzüge und Eigenheiten von verschiedenen lebenden Personen, oder aus einem Mann wurde eine Frau. Ich denke, diese Arbeitsweise ist typisch für Anfänger. Etwas Erlebtes hat einen beeindruckt, geht im Kopf herum und will in Geschichten gegossen werden. Später, wenn man sicherer wird, kann man sich davon lösen. Meine aktuellen Figuren, der Kommissar Christian Bär und die dralle Journalistin Roberta Hennig, sind völlig fiktional.
Wie wählst du den Ort oder die Orte deiner Handlung?
Uli Aechtner: Danach, was sie symbolisch, visuell und an Gruselgefühlen hergeben. Im „Todesrauscher“ war es dieser unheimliche Tank im tiefen Keller, in „Mordswetter“ gerät Roberta in ein riesiges Auffangbecken für Regenwasser, das unter einer Tiefgarage liegt. So etwas gibt es in Rotterdam tatsächlich, man reguliert auf diese Weise die Wassermassen bei einem Unwetter.
Wie planst du die Handlungen?
Uli Aechtner: Wenn ich das Thema habe, erfinde ich meine Hauptfiguren, und dann deren Gegenspieler. Bei Roberta ist das nicht etwa Bär, der ist ihr Partner, sondern eine außergewöhnliche andere Figur, meist ein Mann, bei dem sie ambivalente Gefühle haben kann.
Woher nimmst du Ideen?
Uli Aechtner: Ich gehe von den Themen aus. Die Kelten waren die Menschen, die vor uns in vielen Gegenden Deutschlands lebten, den Apfelwein haben sie schon gekannt, er ist ein altes Kulturgut. Das Wetter bestimmt unsere Laune und unsere Ernten, und mit dem Klimawandel – egal, wie viel davon selbstgemacht oder „natürlich“ ist – wird es zu Hungerkatastrophen und Völkerwanderungen kommen. Es sind Themen, die mich persönlich interessieren, weil sie sich vor meiner Haustür abspielen oder mich betreffen. Was die Figuren angeht, so höre ich den Menschen um mich herum genau zu. Worüber reden die Leute in der Kneipe oder in der S-Bahn? Sie tragen bereits alle Konflikte in sich, die den Leser interessieren könnten.
Eine letzte Frage zum Schluss: Sind schon neue Projekte in Planung?
Uli Aechtner: Es gibt eine weitere Geschichte mit Roberta und Bär. Und das Thema wird unsere nahe Zukunft sein – und wie wir damit umgehen wollen.
Uli Aechtner: Kurzvorstellung
„Uli Aechtner studierte Germanistik, Philosophie und Kunstwissenschaften in Bonn. Als Journalistin arbeitete sie für das französische Fernsehen TF1, für den Südwestrundfunk und für das ZDF. Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebt sie als freie Autorin in der Wetterau.“ (Quelle:emons)
Uli Aechtner: Mordswetter
“ Ein neuer Fall für Hauptkommissar Christian Bär und Reporterin Roberta Hennig.
Ein charmanter Kriminalroman über Wetter, Unwetter und menschliche Abgründe.
Nach einem heftigen Gewitter wird auf einem Frankfurter Campingplatz die Leiche einer jungen Frau gefunden – wurde sie vom Blitz getroffen, oder war es Fremdeinwirkung? Bei den Ermittlungen trifft Hauptkommissar Christian Bär seine alte Flamme Roberta Hennig wieder – doch die interessiert sich mehr für den Gewitterfotografen Maik, den Freund der Verstorbenen. Als wenig später eine weitere Leiche gefunden wird, glaubt Bär nicht länger an tödliche Blitzschläge. Er fürchtet um Robertas Leben . . .“ (Klappentext)
Mit anderen Autoren auf Recherchespuren wandeln
Auf Recherchespuren wandeln mit Rosita Hoppe
Mara Ferr lässt uns auf Recherchespuren wandeln