„New Arc“ von Nicole Obermeier ist eigentlich eine klassische Dystopie, zu mindestens könnte man dieses aus dem Klappentext herauslesen und würde sie somit vermutlich auch in den Bereich des Jugendbuchs hineinsortieren. Doch in die Schublade des Jugendbuchs passt dieses Buch ebenso wenig hinein, wie in die Schublade der Dystopie. Zwar geht es um eine zerstörte Welt, die voller Gefahren und Unwägbarkeiten zu sein scheint, doch birgt diese weit mehr Rätsel als in einer klassischen Geschichte über eine zerstörte Welt enthalten.
Eine Welt voller Ängste, Zwänge und Kontrollen
Tatsächlich regiert in dieser Welt die Angst. Auch herrscht eine ganz bestimmte Disziplin, die es mir als Leser zu Beginn unfassbar schwer machte, überhaupt einen Zugang zu der Geschichte zu finden, obwohl ich sowohl die Erzählweise als auch die Figuren mochte.
Dennoch war es für mich schwierig in das Buch hinein zu gelangen und das obwohl zu Beginn alles total einfach erschien, denn die Geschichte beginnt mit der Abschlussprüfung und mit dem Auftakt in ein neues oder ein scheinbar neues Leben als Chronistin. Caitlyn freut sich auf ihr neues Leben und hat doch Angst davor, welche neuen Gefahren auf sie warten. New Arc, das ist eine Welt, in der jeder seine Aufgabe hat, seinen Platz in der Gesellschaft und doch scheint es vieles zu geben, was Caitlyn und ihre Mitmenschen nicht ahnen.
Gefahren von innen und außen
Wie bereits erwähnt, ist New Arc eine Welt, in der es gefährlich und, ja, auch ein wenig düster zu sein scheint. Nicht in Bezug auf die Helligkeit der Welt, sondern eher in Bezug auf die Atmosphäre. Dennoch ist es eine Welt, in der es von innen zunächst keine Gefahren zu geben scheint. Alle Gefahren kommen scheinbar von außen und die Regierung scheint das beste zu tun, um ihre Bevölkerung zu schützen, doch lässt sie die meisten Bewohner eigentlich unbehelligt und in Unwissenheit zurück.
In genau dieser Unwissenheit befindet sich zu Beginn auch der Leser dieses eBooks, dennoch wird schnell deutlich, dass in dieser Welt mehr verborgen ist, als es zunächst den Anschein hat. Gleichzeitig jedoch lernt man alle Figuren schnell kennen und zum Teil auch schätzen. Sicher, gibt es ein paar, die agieren im Verborgenen oder nicht so wie man es zunächst erwartet, aber genau das macht auch den Reiz dieses Buches aus.
In diesem Buch ist nichts wie es zunächst scheint. Nicole Obermeier zieht ihre Leser in eine Welt, die so ungewöhnlich und andersartig zu sein scheint und doch so sehr an eine Dystopie erinnert. Typische Elemente, ja, klassisch auf den ersten Blick, aber eben doch so, dass man selbst nicht genau weiß, was man erwarten soll.
Lebendige und greifbare Charaktere
Schaut man sich die einzelnen Figuren von Nicole Obermeier einmal aus der Nähe an, so entdeckt man, dass alle Bewohner von New Arc zunächst einmal beschrieben werden, aber nicht einfach nur beschrieben, sondern in ihrer Handlung charakterisiert und, dass sie während der ersten Begegnung mit Caitlyn vorgestellt werden.
Dadurch, dass wir Caitlyn dabei begleiten, wie sie ihre neue Welt erobert, lernen wir ihre Welt gleichermaßen sehend und und erlebend, aber doch irgendwie mit Scheuklappen kennen. Wir erfahren nur das, was die Figuren selbst erleben und sind doch manchmal mutmaßlich schlauer.
Gelungener Dreisatz aus Romantik, Fantasie und Mystery
Ich habe schon einige Fantasy-Bücher lesen dürfen, obwohl ich eigentlich kein großer Fan des Genres bin. Viel zu oft erscheinen mir die dortigen Charaktere und ihre Motive nicht anschaulich genug, so dass es wirklich wenige Fantasy-Geschichten gibt, die mich restlos überzeugen können.
Dystopien lese ich dabei noch mit am liebsten, denn trotz aller Fantasy bei der Konstruktion der Welten spielen hier immer noch menschliche Charaktere die Hauptrolle. Aus genau diesem Grund lese ich sie aus dem besagten Genre noch am liebsten.
Bei diesem Buch hingegen hatte ich zu Beginn leichtes Spiel, musste mich allerdings ein wenig in der Welt dieses Buches zurechtfinden, dann jedoch wurde diese Welt abermals ein wenig düsterer, untypisch für eine Dystopie, wo der Autor meistens beginnt eine Welt voller Schwärze zu entwickeln, die dann irgendwann immer heller wird und möglicherweise zu leuchten beginnt. Ich weiß nicht, ob dieser Eindruck bei allen Lesern entstanden ist, aber für mich bedeutete das Aufdecken und Enttarnen von Geheimnissen in vielerlei Hinsicht eine noch dunkler werdende Welt.
Aus diesem Grund konnte ich mich zum Teil auch sehr gut in Caitlyn hinein versetzen, die so etwas wie ein Licht in der Dunkelheit zu sein schien, die die Hoffnung nie aufgab und trotzdem stets zweifelte, als die bekannten Chroniken Fragen aufzuwerfen begannen und Risse bekamen.
Trotz aller Zweifel klammerte sie sich stets an die Hoffnung, dass alles gut werden würde und ihre Liebe, ja die gibt’s auch, in dieser Welt, in der nicht so ist, wie es scheint, eine reelle Chance hat.
Eine bibliophile Welt
Caitlyn und ihr Begleiter Lennart leben den Alltag als Chronisten, was ihnen einerseits den größten Nutzen bringt, wenn es darum geht, die Welt zu erforschen, in der sie leben, andererseits aber auch das größte Risiko birgt, denn mit allem was Caitlyn, die Tochter des Landesoberhaupts erfährt, gerät ihr Weltbild ins Wanken. Stimmen die Geschichten ihrer Vorfahren wirklich so, wie sie ihr erzählt worden waren oder gibt es ein weitgrößeres Geheimnis?
Ein paar Worte zum Stil
Stilistisch ist dieses Buch sicherlich eher einfach geschrieben und dennoch nicht das, was ich klassischer Weise als ein Jugendbuch wahrnehmen würde. Dieses Buch hat nämlich trotz aller Einfachheit in der Erzählweise und in der Schreibung Tiefe und Weisheit, die man so vielleicht nicht unbedingt in einem klassischen Jugendbuch erwarten würde. Aus genau diesem Grund bin ich auch nach wie vor überlegen, wie ich das Buch nun einschätzen soll. Denn dieses Buch war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte und dennoch war es nicht schlecht. Dieses Buch hält sich nicht an die klassischen Konventionen, die man erwartet, wenn man ein Buch dieses Genres liest. Es passt einfach in keinen vorgefertigten Kasten, vielmehr passt es in eine Vielzahl von Kästen und doch in keinen einzigen zu Gänze und somit natürlich auch in kein Genre.
Fazit
Meiner Meinung nach ist der Autorin etwas gelungen, dass einerseits speziell ist und andererseits spannend und interessant. Sie passt in keine Erwartung oder übertrifft diese. Ich bin mir sicher, dass es Leser geben wird, die mit diesem Buch wenig anfangen können und solche, die total begeistert sind.
Mir persönlich ging es mal so und mal so, so das ich mich eigentlich ständig hin und hergerissen fühlte. Die Geschichte war eindrucksvoll, dicht und atmosphärisch und trotzdem so ganz anders als erwartet. Sie war düster in Momenten, wo ich das Licht erwartete, und leicht in Momenten, in denen man von tiefer ausgehen musste. Diese Geschichte bricht demnach mit den – durch das Genre gegebenen – Konventionen und hält diese doch spielerisch ein. Aus diesem Grund ist es ein Buch, welches neugierig macht und bei dem man am Ende nicht mehr weiß, was man am Anfang erwarten konnte.