M.L.: Hallo Frau Kliem. Ich habe mich mit Ihrem Buch „Die Beschützerin“ beschäftigt und es auch sehr gerne gelesen. Ich freue mich, dass Sie sich heute die Zeit für dieses Interview nehmen und hätte dann auch gleich meine erste Frage, und zwar ist mir aufgefallen, dass sowohl der Prolog als auch der Epilog in einer anderen Perspektive geschrieben wurden. Ich gehe davon aus, dass es die Perspektive der Täterin ist.
S.K.: Naja, das ist ja schon eine ganz ungewöhnliche Perspektive, diese Du-Perspektive. Es ist ja so, dass die Täterin mit dem Du angesprochen wird, also ist es die Stimme der Erzählerin. Man weiß es nicht so genau, ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht (lacht). Ich habe das so ganz aus dem Bauch heraus gemacht. Manchmal passieren einem beim Schreiben so Sachen, da passiert mir das, dass ich irgendeine Form wähle und in dem Moment nicht genau weiß, warum, es mir dann aber so gut gefällt, dass ich es dann einfach so lasse.
M.L.: Mir hat das auch sehr gut gefallen, da das Buch ja doch in einer sehr ungewöhnlichen Perspektive ist und man damit ja auch den Leser direkt anspricht und hatte mich gefragt, ob es nicht so ist, dass der Leser in die Perspektive der Täterin schlüpft?
S.K.: Das ist ja sehr interessant. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, aber wo Sie das jetzt so sagen; natürlich spreche ich den Leser an und gleichzeitig die Täterin. Das ist interessant, ja.
M.L.: Nun ist es ja so, dass man doch sehr viel von den eigentlichen Emotionen der Beteiligten mitbekommt. Ich frage mich natürlich, wie man auf eine solche Geschichte kommt.
S.K.: Ich bin auf die Geschichte gekommen, weil die Fragen, die Janne in dem Buch beschäftigten auch die Fragen sind, die mich persönlich auch sehr beschäftigen. Das sage ich ganz klar, also diese „Wie schaffe ich es im richtigen Moment nein zu sagen?“, „Wie schaffe ich das mich abzugrenzen, wenn Leute mich zu sehr brauchen, zu sehr beanspruchen, mich aber in Wirklichkeit ausnutzen?“ – solche Geschichten. Das ist etwas, was mich sehr stark umtreibt und ich habe die Janne rausgeschickt, damit sie das herausfindet in der Geschichte. Aber das hat sie natürlich nicht herausgefunden. Also so lange die Autorin es nicht weiß, kann die Figur es auch nicht wirklich wissen, aber das sind sehr spannende Fragen, die, glaube ich, auch viele Frauen ansprechen.
M.L.: In dem Buch geht es hauptsächlich um Mobbing. Was macht für Sie das Buch noch aus? Ich weiß es natürlich, ich habe es ja gelesen, aber ich finde, es ist ja auch für den Leser wichtig.
S.K.: Also über den Aspekt hinaus, sozusagen mittransportiert? Na ja, also was eventuell ganz interessant sein könnte, dass man mal in eine andere Welt hineinschnuppern kann, so in die Fernsehwelt oder ins Eventmanagement, was für einige ganz interessant sein könnte, was viele aus der eigenen Erfahrung nicht kennen – auch wie so ein großes Projekt oder Event, wie der Smiling-Kids-Day. Das ist ja eine große Spendengala, wie so etwas funktioniert, wenn da plötzliche starke Einsparungen gemacht werden müssen und es dann zu einer so ganz anderen Form kommt. Diese Welt könnte so ganz interessant sein, über das Emotionale hinaus.
M.L.: Da ich selbst in dem Buch gelesen habe, dass Sie bereits Erfahrungen bei ARD und ZDF haben, gehe ich davon aus, dass diese Erfahrungen auch in das Buch reinspielen.
S.K.: Also ich habe ein halbes Jahr bei Sat 1 gearbeitet, also sogar in der gleichen Abteilung – im Eventmanagement-, das hat mir viel geholfen beim Schreiben, weil ich einfach weiß, wie sieht es da aus? Was sind das für Typen, die da arbeiten? Wie sieht diese Welt aus – dass diese Büros so gläsern sind, ich meine, Glaswände haben wie damals bei Sat 1, das habe ich so übernommen und ansonsten habe ich eine Unternehmensberaterin gefunden, die mich beraten hat, die mir ganz viele Informationen gegeben hat, weil ich einfach den Beruf der Unternehmensberaterin gar nicht so selbst kannte.
M.L.: Das heißt, Sie haben in Ihrem eigenen Wissensbereich recherchiert. Ist es leichter, ein Buch zu schreiben, in dessen Welt sie sich auskennen? Hat Ihnen das die Recherche erleichtert?
S.K.: In dem Fall wirklich erleichtert. Ich persönlich finde es leichter, über die Branche zu schreiben, die man von innen kennt. In dem Buch davor habe ich über Weihnachtsbaumbranche geschrieben, das war „Die kalte Zeit“. Und da war es nämlich so, war ich nämlich völlig fremd. Ich konnte keine Fichte von einer Tanne unterscheiden. Bei dem Buch war es schon stärker so, einfach meine Welt, die Medienwelt, in der ich mich auch beruflich viele viele Jahre bewegt habe und das ist schon einfacher, also“.
M.L.: Ich glaube das merkt man dem Buch auch an, dass Sie sich damit auskennen, dass Sie sich damit beschäftigt haben und eigene Erfahrungen in der Branche gemacht haben, das ein sehr persönliches Thema ist.
S.K.: Ja, das ist es, da steckt sehr viel Herzblut drin. Auf jeden Fall- ich habe also auch eigentlich über 3 Jahre daran gearbeitet, also sehr lange eigentlich. Ganz früher hatten die beiden Frauen auch jede ne Erzählperspektive gehabt. Also da hab ich es aus der Vanessa Otts Perspektive erzählt.
M.L.: Das hätte ich auch gerne gelesen.
S.K.: Ja, das hat aber überhaupt nicht funktioniert, weil da war irgendwie nach 30 Seiten komplett klar, wie die beiden ticken. Und das war langweilig, ja.
M.L.: Wobei ich mir auch hätte vorstellen können, das gleiche Buch auch aus der Perspektive Vanessa Otts erzählt zu bekommen.
S.K.: Ja, das könnte man machen. Inzwischen hätte ich auch sogar mehr das Handwerkszeug, dass ich sowas machen könnte. Damals war ich zu unerfahren. Ich bin dann irgendwann auf diese Ich-Perspektive gekommen und das war auch für mich vom Schreiben her eine sehr wichtige Erfahrung, weil man dann tiefer in die Figur durch die Ich-Perspektive reingeht und das hat mir auch für das 4. Buch, das ich jetzt schreibe, schon wieder viel genützt. Obwohl ich da gar nicht die Ich-Perspektive nutze, aber so tief in die Figuren einzusteigen, dieser Mut, ihnen auch den Raum zu geben, das habe ich da gelernt.
M.L.: Wie gehen Sie mit der Planung der Figuren um? Ich weiß von einigen Autoren, die schreiben von vornherein einen Plot und wissen ganz genau, in die und die Richtung geht meine Geschichte. Ist das auch Ihr Schreibstil?
S.K.: Ja, ich versuche das immer, aber bei mir klappt das nicht so richtig. Bei mir ist das so eine Mischform. Ich versuche den Plot grob festzulegen und dann muss ich ja auch ein Exposé für den Verlag schreiben, die wollen ja vorher wissen, worum das geht, das heißt so 8-9 Din A 4 Seiten schreibe ich dann als Plot. Aber dann weiß ich noch nicht, was in jeder einzelnen Szene passiert. Wenn ich dann die Szenen schreibe, merke ich manchmal, dass ich mir noch gar keine Gedanken gemacht habe über den Spannungsaufbau der Szene, das heißt den Konflikt dieser Szene, dann fange ich aber dann am Tisch an, darüber nachzudenken, also entsteht ganz viel aus dem Moment heraus, aber die grobe Geschichte, das weiß ich schon.
M.L.: Ich habe festgestellt, dass Ihre Figuren sehr dreidimensional und vielschichtig sind. Haben Sie ein lebendiges Vorbild für die Figuren?
S.K.: Nicht wirklich, nein. Es gibt immer Menschen, die in die Figuren mit einfließen, aber das ich 1 zu 1 sagen würde für die Figuren habe ich das oder das reale Vorbild, das eigentlich nicht. Also bei „Theaterblut“, meinem Erstling, da sind so ein paar Figuren drin, die haben reale Vorbilder, aber das würde ich nie verraten, das sind ehemalige Kollegen von mir. Heute ist das nicht mehr so.
M.L.: Wie siehst es mit weiteren Projekten aus? Was dürfen wir da erwarten?
S.K.: Also, auf jeden Fall wieder einen Thriller, an dem ich gerade arbeite. Der wird nächstes Jahr im Herbst erscheinen und da geht es um Leute, die aus der Großstadt, also Berlin, aufs Land ziehen. Die eine Frau erbt einen Hof und die machen so eine Edel-Land-WG, die gründen sie zusammen mit zwei Familien und, ja, erhoffen sich einfach so einen Neuanfang, eine Idylle auf dem Lande. Aber das funktioniert nicht, das wird ein ziemliches Desaster und es geht auch wieder um solche Themen wie Manipulation, also Machtmissbrauch und ganz starke Eifersucht in dem Fall.
M.L.: Das hört sich auch sehr interessant an.
S.K.: Ich hoffe, ich kriege das hin.
M.L.: Ich glaube auch, dass sich Ihre Leser darüber sehr freuen würden. Ich habe mich auch kürzlich mit dem Thema „Mediation“ beschäftigt. Das spielt in ihr Thema auch ein wenig mit hinein. Ich glaube, dass Ihr neues Buch Ihre Leser auch sehr interessiert.
S.K.: Das wäre ja schön. Das würde mich sehr freuen. Ich muss es ja jetzt erst einmal zu Ende schreiben, bis Oktober muss es fertig sein.
M.L.: Bis Oktober haben Sie ja noch Zeit.
S.K.: Na ja, das geht schnell.
M.L.: Bis dahin muss ich auch meine Bachelor Arbeit fertig haben.
S.K.: Wie viel hast Du schon?
M.L.: Na ja, ich habe ein Thema, das recht komplex ist. In soweit weiß ich durchaus, was es heißt, im Oktober fertig sein zu müssen. Im Moment hätte ich nicht die Geduld, ein Buch zu schreiben, obwohl es sehr interessant ist.
S.K.: Na ja, man darf nie so das Gesamte sehen. Das geht Ihnen bei Ihrer Bachelor Arbeit bestimmt genauso. Man muss immer nur den nächsten Schritt sehen. Wenn man die gesamte Reise immer so vor Augen hat, dann verzweifelt man ja. Das ist viel, so viel. Man darf sich immer nur die nächste Etappe vornehmen, dann ist es überschaubar.
M.L.: In diesem Sinne bedanke ich mich für das Interview.
S.K.: Es war sehr schön. Ich danke.
Lotta Lunatic
Hallöchen 😀
Hach – ich neide dich ein bisschen weil ich eigentlich auch ein Interview Termin mit Susanne Kliem hatte, aber leider habe ich es zeitlich nicht geschafft! Mein Zug hatte Verspätung und ach es war alles ein bisschen ärgerlich. :l
Umso schöner war es dein Interview zu lesen, sie scheint eine sehr sympathische Person zu sein (;
Liebst, Lotta
Marie
Hallo Lotta,
für mich sind Interviews inzwischen fast schon Alltag. 😉 im Beruf. Tatsächlich kann ich dir allerdings sagen, das Interview mit Susanne Kliem war ein wirklich schönes. Eine tolle Erfahrung. Sympathisch, ja, das ist sie.
LG,
Marie